Ich erinnere mich noch ganz genau an diesen einen Menschen, der mich vollkommen aus der Bahn geworfen hat. Kaum kannten wir uns, war ich wahnsinnig verliebt in ihn. Dabei haben wir nicht zwingend über Dinge geredet, die wichtig waren. Noch haben wir uns viel gesehen oder versucht, dass wir in der Zeit, in der wir anders beschäftigt waren, Kontakt zu halten. Und genau in der Zeit, in der ich ihn nicht gesehen hatte, gab ich mich meinen Vorstellungen hin. Ich idealisierte ihn und erschuf ein Bild, wie er womöglich ist, ohne, dass ich wusste, wie er wirklich war. Er gab mir immer nur so wenige Anhaltspunkte, dass ich genügend Freiraum hatte, mich in die Vorstellung von ihm zu verlieben, statt in ihn – und das Hals über Kopf.

Jedoch wusste ich damals nicht, dass ich mich nicht in den Menschen, sondern in die Idee verliebt hatte. In die Vorstellung, die ich mir zurecht gelegt hatte und die vollkommen nicht der Realität entsprach. Ich habe lange gebraucht, bis ich drauf gekommen bin. Aber mit der Zeit wurden meine Gefühle immer stärker, wenn wir uns nicht gesehen hatten. Immer schwächer, wenn wir uns gerade trafen. Ich konnte mir nicht wirklich erklären, woran das lag. Bis ich gemerkt hatte, dass der Mensch, in den ich geglaubt habe verliebt zu sein, nichts mit der Person zu tun hat, die er tatsächlich war.

Was passiert, wenn ich mich in die Idee eines Menschen verliebe?

Als ich ihn damals kennen gelernt hatte, fand ich ihn schon ganz nett, aber nicht sonderlich toll. Aber kurz bevor wir uns das erste Mal danach getroffen hatten, war ich ich unendlich aufgeregt. Während das Date nicht sonderlich aufregend verlief, wunderte ich mich danach umso mehr, wie sehr ich wollte, dass es weitergeht. Dass er mich mag, wir uns wieder sehen und zusammen kommen. Obwohl ich im Hinterkopf wusste, er ist nicht die Person, die ich an meiner Seite will. Warum wollte ich es dann so sehr?

Je öfter wir uns trafen, desto egaler wurde es, wie das Date verlief. Ich erinnere mich heute an Gespräche, die mich unendlich gelangweilt haben. An Aussagen, die mich sonst abgeschreckt hätten oder Taten, die ich sonst nicht tolerieren würde. Aber das war nicht mehr wichtig. Denn in meinem Kopf hatte ich mir ein Bild von ihm gemacht, das mir wahnsinnig gut gefiel. Und das passte – da war es mir egal, was er sonst so von sich gab. Ich habe seine Worte zwar gehört, aber aufgenommen habe ich sie nicht.

Ich liebte ihn. Zumindest dachte ich, dass ich das tue.

Von einer Idee zur Obsession

Wenn man sich in die Idee von jemanden verliebt, dann fühlt sich das genauso stark an, wie richtiges Verliebt sein. Ständig denkt man an diese Person, idealisiert sie, stellt sie auf einen Podest und möchte am liebsten die ganze Zeit mit ihr verbringen. Und eher früher als später ist man sich sicher, dass man die andere Person braucht. Um glücklich zu sein, oder aber, weil man den Menschen gefunden hat, der einen kitschige Liebeslieder verstehen lässt.

Der Unterschied liegt aber darin, dass man in diesem Fall die Person nicht liebt, weil man sie liebt. Man liebt sie deswegen, weil man sich einbildet, dass man das muss. Dass man an diesem Menschen festhalten sollte, weil er besser zu einem passt als man selbst. Also bildet man sich nicht nur einen Menschen ein, sondern auch Gefühle, die durch ständiges Zerdenken, verstärkt werden. Und irgendwann beginnt es dann an einer Obsession zu grenzen. Man möchte so zwingend, dass es funktioniert, dass man alles tun würde. Für einen Menschen, der eigentlich nicht der ist, in den wir uns verliebt haben.

Der Moment, in dem man realisiert: Er ist auch nur ein Mensch

Aber so schnell man sich verliebt, so leicht kann es auch passieren, dass man merkt, was gerade eigentlich passiert. Dass die andere Person kein Wunderkind ist, sondern auch nur ein Mensch. Einer, mit Macken und Fehlern – nicht perfekt eben, sondern menschlich. Ein Mensch, der ganz anders ist, als man dachte. Der nicht in das Bild, das man von ihm hatte, reinpasst. Das kann natürlich dafür sorgen, dass man enttäuscht und verwirrt ist.

Niemand hat gesagt, dass die Liebe einfach ist. Selbst die, die es eigentlich so nicht gibt. Aber verliebt sein ist toll, abwechslungsreich und die Hochphase, die man während solch einer Zeit hat, zeigt doch nur, wie schön es sein kann, wenn die Gefühle auch noch echt sind.