Dass die Medizin oft wahre Wunder bewirken kann, zeigt einmal mehr ein Fall aus Rio de Janeiro. Zwei siamesische Zwillinge, die am Gehirn zusammen gewachsen sind, konnten durch äußerst komplizierte Operationen voneinander getrennt werden. Mehr als 30 Stunden dauerten die heiklen Eingriffe.

Geübt hat das Ärzte-Team mit der modernsten Virtual-Reality-Technik.

Siamesische Zwillinge durch OP am Kopf getrennt: „Historische Errungenschaft“

In Brasilien sorgt ein besonders komplizierter medizinischer Fall gerade für Aufsehen: Bernardo und Arthur Lima sind kein gewöhnliches Geschwisterpaar. Die beiden Jungs sind am Gehirn miteinander verbunden und leben als siamesische Zwillinge, auch Craniopagus-Zwillinge genannt. Eine Form, die sehr selten und kompliziert zu behandeln ist. Drei Jahre ihres Lebens haben die Kinder aus dem nordbrasilianischen Bundesstaat Roraima so verbracht, bis es einem Ärzte-Team in Rio de Janeiro tatsächlich gelungen ist, die beiden am Kopf zu trennen.

Dafür waren insgesamt neun Operationen notwendig, eine heikler als die andere. Allein die letzten beiden Eingriffe dauerten in etwa 33 Stunden und haben dem Team aus fast 100 Mediziner:innen so einiges abverlangt. Erschwerend kam dazu, dass sich die beiden Jungs einige wichtige Gehirngefäße geteilt haben. „Es war die schwierigste, komplexeste und herausforderndste Operation meiner Karriere“, so der Neurochirurg Gabriel Mufarrej vom Hirnzentrum IECPN gegenüber AFP. „Anfangs hat niemand gedacht, dass es möglich ist. Beide zu retten, war eine historische Errungenschaft.“

Übung mit Virtual Reality

Auf die komplizierte Operation haben sich die Ärzt:innen in Brasilien mit einer speziellen Technik vorbereitet. Mittels Virtual Reality haben sie die bevorstehenden Eingriffe geübt. Dazu erstellten sie Gehirn-Scans und erschufen so eine Art Karte, die die Köpfe der Zwillinge bis ins kleinste Detail zeigte. Der beteiligte britische Chirurg Noor ul Owase Jeelani spricht sogar von einer „Weltraum“-Technologie. „Es ist einfach wundervoll, es ist großartig, die Anatomie zu sehen und die Operation virtuell vorzunehmen, bevor die Kinder irgendeinem Risiko ausgesetzt werden“, so der Mediziner.

Möglich gewesen seien die Operationen nur dank der wohltätigen Organisation „Gemini Untwined“, die allerdings auf öffentliche Spenden angewiesen sei, erklärt Jeelani weiter. Glücklicherweise ist schlussendlich aber genug Geld zusammen gekommen. „Wir haben nicht nur den Jungen und ihrer Familie eine neue Zukunft ermöglicht, sondern auch das örtliche Team mit den Fähigkeiten und dem Selbstvertrauen ausgestattet, um solch komplexe Operationen auch in Zukunft erfolgreich durchführen zu können“, stellt der Chirurg klar.

Zwillinge erholen sich

Fotos der Zwillinge zeigen, dass es den Mediziner:innen tatsächlich gelungen ist, sie zu trennen. Bernardo und Arthur erholen sich gerade von den schweren Operationen im Krankenhaus. Jetzt folgt eine sechsmonatige Rehabilitation, durch die beide in ein vollkommen neues Leben eingeführt werden. Weitere Eingriffe in der Zukunft seien laut dem Krankenhaus jedoch nicht ausgeschlossen. Einer der beiden, Bernardo, habe aktuell auch noch motorische Defizite an der rechten Körperhälfte.

Mit ihren fast vier Jahren sind Bernardo und Arthur die ältesten Zwillinge mit einem zusammengewachsenen Gehirn, die je getrennt wurden.