Für viele war Nickelodeon wohl ein riesiger Teil der eigenen Kindheit. Doch hinter den Kulissen dürfte von dem grellen happy Image nur wenig präsent gewesen sein. Eine neue Dokuserie erhebt jetzt schwere Vorwürfe gegen das Unternehmen.

Die Rede ist unter anderem von Missbrauch.

Neue Dokuserie deckt Schattenseiten von Nickelodeon auf

„Drake & Josh“, „iCarly“, „Zoey 101“. Es sind Serien wie diese, an die wohl viele von uns noch voller Nostalgie zurückdenken. Für all diese Shows verantwortlich waren Nickelodeon und Dan Schneider. Dan wurde dadurch in den späten 90ern und frühen 2000ern zur Kinder-TV-Legende; er arbeitete für den Sender als Serienerfinder, Showrunner und ausführender Produzent. Er war auch für die Entdeckung von Kinderstars wie Amanda Bynes verantwortlich. Aber auch vor der Kamera war Dan immer wieder mit seinen Stars zu sehen und präsentierte wieder und wieder ein gewisses Image von Nickelodeon voller Spaß, Freiheiten und Idealen.

Doch die neue Dokuserie „Quiet on Set: The Dark Side of Kids TV“ behauptet jetzt: mit dieser Illusion hatte die Realität vieler Mitarbeiter:innen von Schneider nichts zu tun. Weibliche Angestellte behaupten etwa, dass sie ein halb so hohes Gehalt wie jenes der männlichen Kollegen erhielten. Schneider habe Mitarbeiter:innen auch gebeten, sie am Set zu massieren; auch von Wutausbrüchen des Showrunners ist in der Doku die Rede. „Dan war unberechenbar und konnte jeden Moment umschwenken“, erzählt etwa die Autorin Christy Stratton. „Ich hatte Angst. Für Dan zu arbeiten war wie eine missbräuchliche Beziehung.“ Eine weitere Autorin der „Amanda Show“ wirft Schneider sogar vor, er hätte sie gezwungen, Pornographie zu schauen.

Auch Stars wie Alexa Nikolas – die Fans wohl noch aus „Zoey 101“ kennen, werfen dem Sender und dem Showrunner einiges vor. Nikolas hatte bereits in der Vergangenheit schon offen über Mobbing am Set, toxisches Arbeitsklima und sexualisierte Szenen gesprochen.

Drake Bell wirft Mitarbeiter „brutalen“ sexuellen Missbrauch vor

Doch die Vorwürfe richten sich nicht nur gegen Schneider selbst. Weitere Angestellte von Nickelodeon stehen durch die Dokuserie im Fokus schwerer Vorwürfe. So erzählt die Doku etwa, dass zwei Mitarbeiter der Serie „All That“ im selben Jahr wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt wurden. Bei den Mitarbeitern handelte es sich um Schauspieler und Dialogtrainer Brian Peck und Produktionsassistent Jason Handy.

Vor allem der Fall von Brian Peck sorgt jetzt erneut für Aufsehen. Denn Peck wurde der Vergewaltigung von Kindern für schuldig befunden – und einer der Kläger spricht jetzt erstmals öffentlich darüber. Der Kläger ist dabei ein bekanntes Gesicht der Teeniestars: „Drake & Josh“-Star Drake Bell. In der Dokuserie erzählt er jetzt, wie er vor mehr als zwei Jahrzehnten von Peck misshandelt wurde. Peck war Bells Dialogcoach und habe ihn am Set „brutal“ sexuell missbraucht, behauptet der Schauspieler. „Ich weiß wirklich nicht, wie ich das vor der Kamera erklären soll. …. Stellen Sie sich das Schlimmste vor, was man jemandem als sexuellen Übergriff antun kann, und das wird Ihre Frage beantworten“, so der 37-Jährige.

In der Öffentlichkeit wollte er jedoch bisher nicht, dass sein Name als Kläger öffentlich wird; auch nicht, als Peck 2004 schließlich zu 16 Monaten Haft verurteilt wurde. Doch jetzt spricht er im Detail über die Verbrechen. „Ich blicke oft auf diese Zeit zurück und frage mich, wie in aller Welt ich überlebt habe“, so der Schauspieler.

Statements von Dan Schneider und Nickelodeon

Schwere Vorwürfe, zu denen jetzt auch Schneider und Nickelodeon Stellung beziehen. In einem Statement gegenüber „Variety“ betont ein Sprecher von Schneider: „Alles, was in den Sendungen, die Dan leitete, geschah, wurde von Dutzenden von beteiligten Erwachsenen sorgfältig geprüft und vom Sender genehmigt. Wenn es ein tatsächliches Problem mit den Szenen gäbe, die einige Leute jetzt, Jahre später, ’sexualisieren‘, würden sie entfernt werden, aber das ist nicht der Fall, sie werden auch heute noch ständig auf der ganzen Welt ausgestrahlt und sowohl von Kindern als auch von Eltern genossen.“

Nickelodeon bezieht währenddessen auch Stellung zu den Aussagen von Drake Bell und erklärt in einem Statement gegenüber „Vulture“: „Jetzt, da Drake Bell seine Identität als Kläger in dem Fall von 2004 offengelegt hat, sind wir bestürzt und traurig, von dem Trauma zu erfahren, das er erlitten hat, und wir loben und unterstützen die Stärke, die nötig war, um vorzutreten.“