Ein internationales Forscherteam sorgt nun mit einer umstrittenen Idee für Aufregung. Es hat sich nämlich dafür ausgesprochen, bei der Entwicklung eines Impfstoffs gegen das Coronavirus auch Studien mit freiwillig infizierten Probanden vorzubereiten.

Ihre Argumente haben die Forscher im Fachmagazin „Science“ dargelegt.

Forscher wollen Probanden gezielt mit Coronavirus infizieren

Das Team rund um die Erstautorin Seema Shah von der Northwestern University in Chicago will bei der Entwicklung eines Impfstoffs gegen das Coronavirus auch Studien mit freiwillig infizierten Probanden vorbereiten. „Angesichts der besonderen Umstände der Pandemie befürworten unser Rahmenmodell und unsere Analyse, eine Grundlage für Sars-CoV-2-Challenges zu legen“, schreiben die Forscher. Die Autoren betonen allerdings auch, dass die Risiken für Studienteilnehmer, Personal und Dritte minimiert werden müssten.

So möchte man etwa junge, gesunde Menschen als Testpersonen auswählen. Deren Gesundheitszustand soll dann langfristig beobachtet werden. Klinische Studien mit freiwillig Infizierten könnten in der Coronavirus-Pandemie immerhin einen hohen sozialen Wert haben, erklären die Wissenschaftler ihre Idee.

Ethische Bedenken

Bisher gibt es noch keine Studien, in denen Probanden absichtlich mit SARS-CoV-2 infiziert werden. Sogenannte Human Challenge Trials, also Studien bei denen Testpersonen absichtlich mit einer Infektionskrankheit konfrontiert werden, sind unter Wissenschaftern aus ethischen Gründen umstritten. Befürworter argumentieren, dass sie die Entwicklung medizinischer Wirkstoffe beschleunigen können. Andere verweisen auf die hohen gesundheitliche Risiken und daher ethischen Bedenken.

Im Zusammenhang mit dem neuartigen Coronavirus gibt es bereits Initiativen für solche Human Challenge Trials. So gibt es etwa die Kampagne „1 Day Sooner“. Mit dieser sucht der US-amerikanische Doktorand Chris Bakerlee von der Harvard University gemeinsam mit seinem Team Menschen, die bereit dazu wären, sich gezielt mit dem Virus anstecken zu lassen. So möchte man die Entwicklung eines Impfstoffes beschleunigen. Mehr als 14.000 Menschen aus über 100 Ländern haben sich bereits registriert. „1Day Sooner“ ist aber nicht mit Gruppen oder Unternehmen verbunden, die Coronavirus-Impfstoffe entwickeln. Mitbegründer Josh Morrison hofft allerdings, damit zu zeigen, dass es eine breite Unterstützung für Human Challenge Trials gibt.

Weltweit laufen Projekte zur Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten gegen COVID-19. Die Wirksamkeit potenzieller Impfungen muss man aber bisher unter natürlichen Bedingungen testen. Denn niemand darf ja dem Virus absichtlich ausgesetzt werden. Dies bedeutet aber im Umkehrschluss auch, dass sich das Virus weiterhin ausbreiten muss, damit man die Wirksamkeit des Mittels unter Beweis stellen kann.