Dass Vitamin D gut für uns und unseren Körper ist, wissen wir bereits. Dass es aber auch bei einer Corona-Infektion helfen könnte, ist neu. Ob das angebliche Wundermittel aber wirklich eine Unterstützung im Kampf gegen das Virus ist, haben wir zwei Experten gefragt.

Die Vitamin-Pille wird gerade als Heilmittel in der Coronakrise gehandelt.

Der Hype rund um Vitamin D und Corona

Stellt euch vor, ihr müsst lediglich eine kleine Vitamin-Pille nehmen und seid dann vor der bösen Corona-Infektion geschützt. Wenn es doch nur so einfach wäre. Schon klar, in Zeiten wie diesen wünschen wir uns alle nichts mehr, als einen endgültigen Ausweg aus dem Pandemie-Chaos. Aktuell beschäftigen sich zahlreiche Wissenschaftler und Studien mit einem angeblichen Allheilmittel: Vitamin D. Doch was ist dran an dem Hype und kann eine einfache Pille wirklich eine Corona-Infektion mildern oder uns sogar davor schützen?

Was ist Vitamin D?

Beginnen wir doch von vorne. Laut diversen Online-Portalen handelt es sich bei Vitamin D um fettlösliche Vitamine, die auch als Hormon eingestuft werden. Univ. Prof. Dr. Anton Luger, der viele Jahre am Wiener AKH tätig war und sich auf Endokrinologie und Stoffwechsel spezialisiert hat, fügt noch hinzu: „Es ist überhaupt keine Frage, dass Vitamin D für den Organismus wichtig ist. Das ist auch eindeutig belegt; von Kindern, bis ins hohe Alter.“

Als Wundermittel sieht er Vitamin D jedoch nicht. „Das würde implizieren, dass es Krankheiten heilt. Dafür gibt es aber nur wenig überzeugende Evidenz. Es wurden bereits zahlreiche Studien durchgeführt, in denen man untersucht hat, was passiert, wenn man Menschen entweder Vitamin D verabreicht oder nicht. Dass das sehr gut für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Übergewicht, Infektionen, usw. ist, wurde aber nie eindeutig bestätigt.“ Und dennoch ist Vitamin D sehr wichtig für unseren Körper. „Es gibt aber zwei Ausnahmen, wo es scheinbar doch einen Nutzen gibt: bei Knochenbrüchen und Dickdarmkrebs„, so Luger.

Ist Vitamin D ein Wundermittel gegen Corona?

Die ernüchternde Antwort: Nein. „Es gibt noch keine überzeugenden Daten dazu„, meint Dr. Luger. Auch Dr. Stefan Pilz von der klinischen Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie der Med Uni Graz stimmt dem zu: „In den Studien zu Vitamin D und den Infekten haben wir gesehen, dass diejenigen, die einen Vitamin-D-Mangel haben, mitunter schwerere Verläufe bei einer Corona-Erkrankung zeigen. Zum Umkehrschluss, also wenn man Vitamin D verabreicht, gibt es noch keine ausreichende Datenlage, um sagen zu können, dass Vitamin D vor einer Covid-Infektion schützt oder man dadurch einen besseren Verlauf hat.“

Ganz umsonst soll Vitamin D hinsichtlich Atemwegserkrankungen aber nicht sein. Pilz: „Es gibt, das wissen wir schon seit ein paar Jahren, gute Metaanalysen von Studien, in denen man mit Vitamin D und Placebos arbeitet. Diese zeigen; wenn ich Vitamin D einnehme, bekomme ich im Vergleich zum Placebo, weniger Atemwegsinfekte. Das gab es aber bereits vor der Covid-Ära und bezieht sich immer auf die Prävention.“ Auch Dr. Luger bestätigt, dass es sehr wohl Daten von Zellversuchen und tierischen Versuchen gibt, die zeigen, dass Vitamin D sehr wohl eine Rolle für unser Immunsystem spielt. „Man muss aber dazu sagen, dass die Daten bei Menschen weniger überzeugend sind. Das, was im Reagenzglas oder bei Tieren nachgewiesen wird, gilt häufig nicht für Menschen“.

Dass Vitamin D aber generell eine wichtige Substanz für den Körper ist, ist sich auch Dr. Luger sicher. „Ich sage all meinen Patienten und auch mir selbst: wenn man nicht überdosiert, wird man auch nichts anstellen. In Zeiten wie diesen sollte man jedenfalls eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D haben.“

Wie können wir Vitamin D aufnehmen?

Die erste Station, die Vitamin D in unserem Körper macht, ist auf der Haut – in Form von Sonnenstrahlen. „Der Weg von Vitamin D geht von der Haut zunächst in die Leber und dann in die Niere, wo es zur aktiven Substanz aufgebaut wird„, erklärt Dr. Luger. „In der Sommerzeit reicht eine halbe Stunde, bis Stunde in der Sonne. Wenn man Gesicht und Hände nicht verdeckt und keinen Sonnenschutz trägt, dann erhält man in etwa 1000 Einheiten Vitamin D. Sobald jedoch Wolken da sind, reduzieren sich die Einheiten auf die Hälfte“, so Luger. Zudem ist das Sonnenbaden ohne Schutz absolut nicht empfehlenswert und kann im schlimmsten Fall auch die Entstehung von Hautkrebs fördern.

Mit Ernährung können wir unseren Tagesbedarf an Vitamin D nicht decken, höchstens 10 bis maximal 20 Prozent davon. Dr. Luger: „Vitamin D ist in Fetten enthalten, wie in Fisch, Milch, Käse oder in nicht-tierischen Produkten, wie Pilzen und Avocados.“

Da wir besonders im Winter Vitamin D eher schlecht auf natürlichem Weg aufnehmen können, gibt es einige andere Möglichkeiten, um den Tagesbedarf zu decken. „Man könnte Tabletten einnehmen oder Vitamin D in Form einer Flüssigkeit.“ Diese müssen nicht nur verschreibungspflichtig sein, denn mittlerweile gibt es zahlreiche Formen davon, wie etwa Multivitamin-Präparate.

Gibt es einen Unterschied zwischen Präparaten und verschreibungspflichtigen Tabletten?

Wenn man Vitamin D erhalten möchte, ist man sicherlich nicht darauf angewiesen, sich eine Verschreibung zu holen„, so Dr. Luger. Einige Menschen sind vielleicht etwas verunsichert, da nicht immer ganz klar ist, ob man die Präparate, die man beispielsweise in Drogerien kaufen kann, bedenkenlos einnehmen kann. Dr. Pilz klärt auf: „Wenn wir Vitamin D zuführen, ist es nicht so entscheidend in welcher Form und in welcher Präparation. In der Regel wird es, wenn man keine Magen-Darm-Erkrankung hat, sehr gut vom Körper aufgenommen.“

Vitamin D3 ist auch das, was wir selbst im Körper, in der Haut produzieren und das ist auch das, was in den meisten gängigen Präparaten enthalten ist. In welcher Form man das zu sich nimmt, hat keinen großen Einfluss. Natürlich muss es qualitativ in Ordnung sein. Aber man sollte keine großen Unterschiede machen, ob es Tabletten, Sprays oder Tropfen sind“, so Dr. Pilz. Dabei spricht er aus Erfahrung, denn er war selbst mal bei einer Untersuchung von Präparaten beteiligt, wie er uns im Interview erzählt.

Was passiert bei einer Vitamin-D-Überdosis?

Wer zu viele Vitamin-D-Tabletten nimmt, kann an einer Überdosis leiden. „Das ist aber extrem selten“, so Dr. Pilz. „Wir wissen, dass wir durch die Sonneneinstrahlung auf der Haut 10.000 – 20.000 Einheiten Vitamin D pro Tag selbst bilden können. Die gängigen Empfehlungen, die wir im deutschsprachigen Raum haben, liegen bei 800 Einheiten Vitamin D täglich. Das heißt, wir bewegen uns in einem Bereich, der weit unter dem liegt, was man durch Sonneneinstrahlung selbst erzeugen kann.“

Und sollte es im Extremfall doch zu einer Überdosis kommen? „Alles, was eine Wirkung hat, kann auch eine Nebenwirkung haben„, erklärt Dr. Pilz. „Wenn wir Vitamin D extrem hoch dosieren, kann es dazu kommen, dass primär die Calciumwerte nach oben gehen. Zuerst haben wir eine vermehrte Calciumausscheidung über den Harn und dann steigt der Calciumspiegel im Blut an. Das kann auf Dauer schädlich werden und zu Nierenschäden, Verkalkungen und Austrocknungen führen. In der Praxis beobachten wir das aber kaum.“

Abseits Corona: Hängen Vitamin D und unsere Psyche zusammen?

Laut Luger gibt es auch hierfür nur wenig überzeugende Daten. „Es gibt diese inverse Kausalität, dass Dinge nicht die Ursache sind, sondern die Folge. Ich bin auf dem Gebiet der Psyche zwar kein Spezialist, aber wir wissen alle, dass in Zeiten, wo es weniger Sonnenlicht gibt, das Auftreten von Depressionen häufiger ist. Menschen, die weniger an die frische Luft gehen und damit auch weniger mit Sonnenstrahlen in Berührung kommen, haben ein höheres Krankheitsrisiko. So könnte das auch mit psychischen Erkrankungen der Fall sein. Denn depressive Menschen gehen eher weniger hinaus“, erklärt Dr. Luger.