Pflanzen blühen im Frühling nur dann, wenn sie sich auch daran erinnern, dass vorher Winter war. Denn beim Wachsen geben sie ihr genetisches Material an neue Zellen weiter. Bei der Pollenbildung wird dieses Gedächtnis jedoch gelöscht.

Das berichten nun Wiener Forscher in einer neuen Studie.

Pflanzen haben ein Gedächtnis

Das Erbgut, also die DNA, ist von sogenannten Histonen umhüllt. Sie sind eine Art Eiweiß-Verpackungsstoff. Der Zustand dieser Histone entscheidet darüber, ob ein Gen zugänglich und damit ablesbar ist. Histone sind also für die Verpackung und Indexierung der DNA in der Zelle wichtig. Das genetische Material von Pflanzen funktioniert über Markierungen an dieser Verpackung. Ist nämlich ein Verpackungs-Eiweißstoff an einer bestimmten Stelle mit Markierungen versehen, wird die Verpackung nicht geöffnet und das Gen darin nicht abgelesen. Die Histon-Modifikation, die die Gene markiert, die abgeschaltet sind, heißt übrigens H3K27me3. In der Blütephase bringen kalte Umweltbedingungen H3K27me3 dazu, sich an den Genen anzusammeln, die die Blüte kontrollieren. Frühere Arbeiten Wiener Forscher haben gezeigt, wie H3K27me3 von Zelle zu Zelle übertragen wird. Im Frühling kann sich die Pflanze dadurch erinnern, dass es kalt war und der Winter vorüber ist. Die Pflanze kann so zum richtigen Zeitpunkt blühen.

Wenn die Pollen gebildet werden, die so wie die Spermien bei Tieren und Menschen die männlichen Keimzellen für die nächste Generation sind, wird diese genetische Erinnerung aber gelöscht. Das beobachteten die Wiener Forscher rund um Michael Borg und Frederic Berger vom Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Ihre Beobachtungen veröffentlichten die Wissenschaftler im Fachjournal „Nature Cell Biology“. „Weil Pollen über lange Distanzen etwa von Bienen oder dem Wind vertragen werden können, ist es sinnvoll, dass die Sprösslinge die Umgebung ihrer Väter vergessen, und stattdessen jene der Mütter im Gedächtnis haben, neben denen sie ja höchstwahrscheinlich gedeihen“, so Borg in einer Aussendung.