Ekelt ihr euch beim Anblick von Brokkoli? Dann könnte das jetzt unter Umständen mal eine gute Sache sein. US-Forscher wollen nämlich einen Zusammenhang der Corona-Erkrankung und unserem Geschmackssinn entdeckt haben.

Demnach sollen Leute, die bei Brokkoli laut „Igitt“ rufen, seltener und weniger schlimm an einer Covid-19-Infektion leiden… aaaalles klar 😅

Gleich vorweg: Diese Studie ist absolut nicht repräsentativ! Sich an Maßnahmen zu halten und die 3-G-Regel zu beachten ist enorm wichtig, um sich vor einer Corona-Infektion zu schützen! Experten warnen davor, die Aussage der Studie nicht überzuinterpretieren.

Eine Abneigung gegen Brokkoli könnte auf eine größere Covid-19 Resistenz hinweisen

Diese News könnte euch jetzt super beflügeln oder schwer im Magen liegen. Denn Forscher wollen jetzt einen Zusammenhang zwischen unserem Geschmackssinn und der Intensität einer Corona-Erkrankung gefunden haben. Demnach soll der Verlauf einer Covid-19 Infektion mit unserer Vorliebe für bitteres Gemüse zusammenhängen. Zumindest wenn es nach einer brandneuen Studie aus den USA geht, die am 25. Mai in der medizinischen Fachzeitschrift „JAMA Network Open“ veröffentlicht wurde.

Der leitende Rhinologe am Baton Rouge Genereal Medical Center in Lousiana Henry Barham nahm in seiner Studie fast 2.000 Erwachsene unter die Lupe. Er will dabei herausgefunden haben, dass sogenannte „Supertaster“, also Personen, die sehr empfindlich auf einige Bitterstoffe reagieren, eine geringere Wahrscheinlichkeit hätten, am Coronavirus zu erkranken. 86 Prozent jener untersuchten Personen, die einen schweren Verlauf hatten, zählten zu denen, denen Brokkoli schmeckt. Von den Supertastern wurden weniger als sechs Prozent positiv auf Covid-19 getestet. Demnach sollten sich Brokkoli-Fans, denen das Gemüse mundet, weil sie es als nicht bitter empfinden die Schutzmasken gleich mal stramm ziehen (das gilt aber auch für alle, denen Brokkoli nicht schmeckt – denn erwiesen ist hier nämlich gar nix!).

Brokkoli-Hasser klar im Vorteil?

Pioniararbeit bei der Erforschung genetischer Variationen in der Geschmackswahrnehmung leistete die Psychologin Linda Bartoshuk bereits in den 90ern. Bartoshuk prägte den Begriff „Supertaster“, jene 25 Prozent der Superschmeckenden die besonders intensiv auf Bitterstoffe reagieren. Weitere 25 Prozent zählen zur Gruppe der „Nicht-Schmeckenden“, die kaum bittere Aromen wahrnehmen. Die restlichen 50 Prozent nehmen die Bitterkeit im Gemüse zwar wahr, empfinden diese aber nicht als unangenehm.

Die Supertaster sollen deshalb so empfindlich auf Brokkoli, Kohl und Rosenkohl reagieren, weil sie viermal so viele Geschmacksknospen auf der Zunge haben. Die Bitterstoffe in Gemüsesorten wie Brokkoli, Kohl und Rosenkohl werden von Typ-2-Geschmacksrezeptoren erkannt. Diese werden wiederum von der Genfamilie T2R gebildet. Dieses Gen soll bestens erforscht sein. So sollen die Variationen des Gens mit der Toleranz einer Person gegenüber Bitterstoffen korrelieren.

Bei kleinen Kindern ist der Geschmackssinn stärker ausgeprägt

Für Barham sind die Ergebnisse seiner aktuellen Studie demnach auch ein Indiz dafür, warum Kinder weniger anfällig für Corona seien. Denn die haben mehr Geschmacksrezeptoren als Erwachsene und zählen deshalb eher zu den Supertastern, die laut der Studie ja angeblich resistenter gegen das Virus sind. Gegenüber dem National Geographic erklärt er, dass die Zahl der Geschmacksrezeptoren im Alter abnimmt, was eine mögliche Erklärung dafür sein könnte, warum Corona die ältere Bevölkerung mehr treffe als die junge Generation. Ein einfacher Geschmackstest der das Risiko einer Person anzeigen soll an schwerem Covid-19 zu erkranken? Klingt fantastisch! Aber Kritik ist durchaus angebracht.

Kritik kommt aus den eigenen Reihen

David Aronoff, Direktor der Abteilung für Infektionskrankheiten am Vanderbilt University Medical Center in Nashville, Tennessee, zeigt sich im Interview mit National Geographic allerdings überrascht davon, dass Geschmacksrezeptoren auch an der Immunität beteiligt sein könnten. Er halte die relativ enge Alterspanne der Studienteilnehmer für zu wenig aussagekräftig. Die Ergebnisse der Studie seinen zwar interessant, kämen aber zum jetzigen Zeitpunkt der Arbeit noch zu früh, um beim Umgang mit dem Coronavirus in Kliniken zu helfen. „Aber die Ergebnisse könnten sich auf unser Verständnis darüber auswirken, was Menschen dazu bringt, mehr oder weniger anfällig für Infektionen wie Covid-19 zu sein“, meint Aronoff. Supertaster sollten Aronoff zufolge die Aussage der Studie nicht überinterpretieren.

Weitere Kritik kommt außerdem aus den eigenen Reihen. Danielle Reed, stellvertretende Direktorin des Monell Chemical Senses Center in Philadelphia war an der Studie zwar beteiligt, lehnte es aber ab, als Autorin genannt zu werden, da sie die Ergebnisse anders interpretiere, wie sie im Interview mit National Geographic klarstellt. Reed stößt sich vor allem daran, dass in Barhams Erkenntnissen der allgemeine Geschmacksverlust, ein frühes und wesentliches Merkmal von Covid-19 nicht berücksichtigt wurde. Infolgedessen könnten einige Patienten „fälschlicherweise als Nicht-Schmeckende“ kategorisiert worden sein. Barham stimmt seiner Kollegin gegenüber dem National Geographic zu, dass hier mehr Forschung nötig sei. Er sei aber optimistisch, seine Arbeit auf andere Infektionskrankheiten ausdehnen zu können. Heißt also noch etwas gedulden und dem angeblichen Einfluss von Brokkoli mal lieber nicht zu viel Glauben schenken!