Nach dem Staffelfinale der vierten Staffel „You“ hat es Joe Goldberg einmal mehr geschafft, alle hinters Licht zu führen. Doch der große Twist der Staffel war dann doch ziemlich vorhersehbar.

Wir müssen das alles aber trotzdem erst einmal verarbeiten.

„You“: So geht es in Staffel 4 weiter

Jetzt ist es also so weit: die Ära Professor Jonathan Moore ist zu Ende und Joe Goldberg hat es einmal mehr geschafft, sich aus den absurdesten und düstersten Verbrechen hinauszumogeln. Ist irgendjemand nach vier Staffeln stalken, töten und verstecken wirklich noch überrascht? Also wir nicht. Denn dass Joe aka Will aka Jonathan sich auch aus der „Eat the Rich“-Killer-Affäre nahezu unbeschadet herausziehen wird, war für uns irgendwie klar. Für einen Schockmoment sorgte der zweite Teil der vierten Staffel aber dennoch.

Aber zurück zum Anfang. Nachdem wir am Ende des ersten Teils eigentlich dazu verleitet wurden, Rhys als den großen Feind der Staffel anzusehen, war Joes Vorhaben klar: Den „Eat the Rich“-Killer töten! Da kam es ihm nur allzu gelegen, dass der Vater seiner neuen Lebensgefährtin Kate den aufstrebenden Politiker ebenfalls tot sehen wollte. Quasi eine Win-Win-Situation, oder? Davor musste der Serienmörder allerdings noch jemandem die Morde anhängen, die ihn sonst heimsuchen könnten. Und wer eignet sich dafür besser als die mysteriöse Fotografin, die uns schon in den ersten fünf Folgen verwirrt hat. Denn sie entpuppt sich ziemlich gelegen als Stalkerin der Influencerin Phoebe und entführt diese sogar (jedoch nur für wenige Augenblicke). Joe nutzt die Gelegenheit und jubelt ihr das Ohr des getöteten Simon unter.

„You“: Der Plottwist, der eigentlich nicht überraschte

Ein Problem weniger auf der schier endlosen Liste des Stalkers. Und auch Rhys lässt sich verhältnismäßig leicht aufspüren und mal wieder total unabsichtlich töten. Doch als Joe glaubt, er hätte jetzt alles geregelt, folgt der Plottwist der Staffel. Rhys war nicht der „Eat the Rich“-Killer, sondern Joe selbst. Bam, Bam, Baaaam! Was für ein Schock… zumindest für all jene, die im Laufe der Staffel nicht wirklich aufgepasst haben (oder unseren Artikel zu den Theorien verpasst hat).

Denn dass Rhys eine Ausgeburt von Joes manischen Fantasien ist, war doch eigentlich seit der ersten Folge klar. Schließlich haben Rhys und Joe eine unerklärlich schnelle und tiefe Verbindung zueinander, die allerdings niemand jemals thematisiert außer Joe in seinen Gedanken. Wann immer die beiden gesprochen haben, sie waren alleine! Und wann immer Joe von Rhys überfallen wurde – es gab nie Zeugen! Zusätzlich dazu hat Penn Badgley (der Joe spielt) den Inhalt der vierten Staffel (vielleicht unbewusst) auch auf seinem TikTok-Account ein bisschen gespoilert, als er sich und seine Rolle in einem Video zu Taylor Swifts „Anti Hero“ spielte.

Warum Mariannes Folge für die Zukunft von „You“ so wichtig ist

Der große Plottwist der Staffel, dass Joe jetzt seine ganz persönliche Version von „Fight Club“ lebt und nicht mehr weiß, wer er eigentlich ist und was er tut (sorry für diesen Spoiler!), kam deshalb zumindest für uns wirklich nicht überraschend. Die Anzeichen in den ersten Folgen waren einfach zu offensichtlich; der rachesuchende Neopolitiker einfach zu klischeebesetzt für die Show. Und dennoch sorgte der „Joe hat eine gespaltene Persönlichkeit“ Plottwist in gewisser Weise für eine große Überraschung.

Denn der Moment, in dem Joe jegliche Kontrolle verliert, war doch ein kleines Meisterwerk für die Show. Dass Marianne noch nicht ganz abgeschrieben war, war zwar nicht die große Überraschung (was wäre Joe schließlich ohne seine unheimliche Box!). Dass die Serienmacher ihr jedoch eine ganze Folge gaben, in der sie die Grausamkeiten von Joe endlich einmal ungeschönt zeigt, war nicht nur eine große Überraschung, sondern für die Zukunft von „You“ auch extrem wichtig.

Denn wer sich online zu der Netflix-Serie informiert, liest schnell: viele Fans haben Mitleid mit Joe, romantisieren sein Stalker-Dasein und freuen sich mit ihm, wenn er mal wieder eine Straftat vertuschen kann. Viele sind dem Joe-Fieber verfallen. Kein Wunder eigentlich. Schließlich baut die Show ja darauf, dass wir die Dinge aus der Perspektive des Täters sehen, der jede noch so brutale Straftat immer wieder relativiert und erklärt. Jetzt endlich sehen wir Joe durch die Augen eines unschuldigen Opfers und erkennen, wie drastisch sich sein Zustand in den vergangenen Wochen verschlechtert hat (falls man das bei einem Serienmörder überhaupt noch sagen kann). Wir sehen Joe in all seiner Brutalität und spätestens jetzt ist klar: hier gibt es keine einzige gute Eigenschaft.

Wie kann es jetzt weitergehen?

Eben diese eindeutige Sichtweise braucht es, um in den letzten Momenten der Staffel klar zu sehen, wie grausam Joe ist. Wie hinterhältig, manipulativ und durch und durch böse seine Aktionen sind und wie schrecklich es ist, dass er einmal mehr mit all seinen Grausamkeiten durchkommt. Und nicht nur das, er hat einmal mehr eine Frau an seiner Seite, die all diese furchtbaren Eigenschaften nicht nur akzeptiert, sondern ihm auch noch dabei hilft, sie zu vertuschen.

Denn am Ende von Staffel vier steht Joe besser da als jemals zuvor: er ist ultrareich, kann wieder unter seinem richtigen Namen leben und es sieht so aus, als könnte ihm an der Seite von Kate nichts und niemand mehr etwas anhaben. Na toll, und jetzt? Vielleicht ist genau diese Frage der Grund, warum uns die vierte Staffel dann zum Schluss trotzdem noch gepackt hat. Denn ein Psychopath wie Joe lernt nicht dazu; da hilft kein Sprung von der Brücke, keine unterstützende Freundin und keine neue Identität!

Mariannes Folge hat eines klar gemacht: Joe bleibt Joe und mit all der Macht, die er jetzt hat, kann man sich nur ausmalen, wie skrupellos er jetzt sein wird. Der romantisierende Schleier ist gefallen und wir alle sehen Joe jetzt so, wie er wirklich ist! Doch es gibt auch einen Lichtblick. Denn ganz hat das Böse ja nicht gewonnen; zumindest so lange nicht, wie Marianne noch glücklich mit ihrer Tochter zusammen leben kann. Aber wer weiß, wie lange dieses Glück noch anhält. Joe war bisher ja nie bekannt dafür, gut mit Dingen abschließen zu können.