Unser Zeitgefühl ist im Jahr der Pandemie Flöten gegangen. Vielleicht lag das an den Ausgangsbeschränkungen, vielleicht am monotonen Alltag und der unendlichen Folge an schlechten Nachrichten. Vielleicht aber auch an der Tatsache, dass sich die Erde deutlich schneller um die eigene Achse gedreht hat als sonst.

Wie Messungen zeigen, gab es im vergangenen Jahr ganze 28 der schnellsten Tage.

Erde dreht sich immer schneller

Durchschnittlich braucht die Erde 86.400 Sekunden, um sich einmal um die eigene Achse zu drehen. Das sind also 24 Stunden und das zeigen auch unsere Uhren so an. Doch die tatsächliche Erdbewegung kann um Millisekunden abweichen. Und 2020 drehte sich die Erde so schnell wie seit 50 Jahren nicht mehr. Die zuvor gemessene kürzeste Tageslänge wurde ganze 28 Mal unterboten. Sieger ist übrigens der 19. Juli 2020, mit einer Abweichung von 1,4602 Millisekunden. Bis dahin war der 5. Juli 2005 mit einer Abweichung von 1,0516 Millisekunden der schnellste Tag seit den 60ern. Damals begann die Messung mit besonders präzisen Atomuhren.

Die unterschiedlichen Tageslängen sind nicht ungewöhnlich. Dennoch zeichnete sich in den letzten Jahren ein Trend ab. Denn die Erde hat es immer eiliger. Nicht nur die Gesellschaft wird also immer schnelllebiger, auch der Planet selbst scheint an Fahrt zu gewinnen. Die Erde dreht sich in den letzten Jahren zunehmend schneller. Zwar verringert sich die Tageslänge nur um gut eine Millisekunde, im Jahr 2021 könnte sich dieser Trend allerdings noch verstärken.

Negative Schaltsekunden könnten eingeführt werden

Die Schwankungen in der Dauer der Erdrotation hängen mit Atmosphärendruck, Wind, Meeresströmungen und Bewegungen des Erdkerns zusammen. Ermittelt wird die Dauer der Erdrotation übrigens, indem täglich aufgezeichnet wird, wann ein bestimmter Stern an einem bestimmten Ort vorbeizieht. Diese Aufzeichnungen bestimmen die Weltzeit (UT). Die Zeit auf unserem Handy, unserer Armbanduhr und unserem Wecker ist aber die koordinierte Weltzeit (UTC). Diese basiert auf der internationalen Atomzeit.

Damit der Tag für uns immer gleich lang ist, nutzt man Schaltsekunden. Wir kennen das Prinzip von Schalttagen. Die Schaltsekunde gleicht aus, dass die Erde bisher etwas länger als 24 Stunden für eine Umdrehung brauchte. Überschreitet die Abweichung zwischen UT und der Atomzeit 0,9 Sekunden, wird eine Schaltsekunde bei der UTC eingefügt. Wenn sich der Trend zur beschleunigten Erdrotation aber fortsetzt, könnte zur Angleichung der Weltzeit erstmals eine negative Schaltsekunde nötig werden. In der Silvesternacht würden dann die Uhren eine Sekunde auslassen und direkt von 23:58 Uhr auf 00:00 Uhr umspringen. Das wäre eine Premiere, denn seit Einführung der Schaltsekunden im Jahr 1972 hat es zwar 27 positive Schaltsekunden gegeben, aber noch nie eine negative.