„Nachahmung ist die höchste Form der Anerkennung“, sagte schon Oscar Wilde. Doch wo hört Anerkennung auf und wo fängt freches Kopieren an? In der Welt der Mode verschwimmt diese Grenze oftmals. Aktuelles Beispiel: Eine Debatte um einen Badeanzug des Wiener Labels „We Are Flowergirls“.

Denn auf Instagram unterstellen User dem Label, dass das Design dafür von „Essentials For Zula“ abgeschaut wurde.

„Copy and Paste“ in der Modewelt

Dass sich große Modeketten gerne einmal der kreativen Leistung kleinerer Designer bedienen, ist längst nichts Neues mehr. 2016 unterstellten mehrere Indie-Künstler, die ihre Arbeit über Etsy und Co. vertrieben, dem Modehaus „Zara“, ihre Designs kopiert zu haben. Doch auch kleinere Designer lassen sich gerne von ihren Kollegen inspirieren. In den USA steht momentan die Fashion-Designerin und Gründerin Danielle Bernstein von „WeWoreWhat“ immer öfters in der Kritik, ihre Designs von kleineren, unabhängigen und vor allem BIPOC-Designern abzukupfern. Zuletzt warf ihr die Indie-Designerin Ngoni Chikwenengere vor, das Design ihres Kleides kopiert zu haben. „Ich bin wirklich traurig, dass ich das sagen muss, aber ich bin das jüngste Opfer des Kreuzzugs von @weworewhat und Danielle Bernstein gegen kleine Designer“, schrieb Chikwenengere auf Instagram. Bernstein wehrte sich daraufhin und bestritt, jemals ein Design kopiert zu haben.

Und auch in Österreich erschüttert momentan eine angebliche Nachahmung die Modewelt auf Instagram. Vor Kurzem stellte das Wiener Label „We Are Flower Girls“ einen neuen Badeanzug vor. „Convertible Swimwear“ im „Conscious Design“, der Stoff aus alten Plastikflaschen: Der neue Badeanzug kommt bei den Usern auf Instagram gut an. Die Wickelmethode, die hier zur Anwendung kommt, kennt man schon von den Kleidern des Labels. Doch unter den Kommentaren findet man auch schwere Vorwürfe: „Ich hatte gehofft, dass nachhaltige Labels die Modewelt etwas besser machen würden. Designs voneinander zu kopieren, hatte ich mir nicht erwartet. @essentialsforzula lass dich dadurch nicht unterkriegen“, schreibt eine Userin. Eine andere kommentiert: „Ich bleibe lieber beim Original von @essentialsforzula, als eine Kopie zu kaufen.“

Instagram: „We Are Flowergirls“

„We Are Flowergirls“ vs.“Essentials for Zula“

Was war geschehen? Das Modelabel „Essentials For Zula“ unterstellt „We Are Flowergirls“, das Design des Badeanzugs von ihrem „Adonis“-Anzug abgekupfert zu haben. Die beiden Labels hatten sich in der Vergangenheit einen Co-Working-Space geteilt. Ob Zufall, Inspiration oder Kopie hier mitgespielt haben, ist nicht klar zu sagen. Tatsache ist, dass es bei jeder Geschichte zwei Seiten gibt. Die Gründerin von „Essentials For Zula“ fühlte sich angesichts der Ähnlichkeit der beiden Swimwear-Kollektionen und der Tatsache, dass Cecilia von „We Are Flowergirls“ bereits letztes Jahr einen Adonis-Badeanzug von „Essentials For Zule“ bestellt hatte, letzte Woche jedenfalls gezwungen, ein Statement in den sozialen Netzwerken zu posten.

Damit sprach sie eine Situation öffentlich an, mit der sich offenbar viele junge Unternehmerinnen identifizieren konnten. „So viele Labels und Einzelpersonen haben uns daraufhin geschrieben, um ihre Solidarität auszudrücken und uns mitzuteilen, dass sie bereits mit ähnlichen Situationen zu tun hatten, sich aber nicht getraut hätten, öffentlich darüber zu sprechen“, schreibt „Essentials for Zula“ in einem Statement gegenüber miss.at.

Instagram: Essentials For Zula / dariadaria

Das sagen die beiden Gründerinnen zu den Vorwürfen

Zwei junge, coole, nachhaltige Wiener Labels mit Frauen an der Spitze: Eigentlich sollte es in dieser Bubble genug Platz geben, denn viele solcher Unternehmen gibt es leider nicht. Die Beziehung der beiden Wiener Brands geht Jahre zurück. „Die Gründerin von ‚Essentials for Zula‘ und ich waren bis zu ihrem Social Media Statement vergangene Woche eigentlich Freundinnen. So hatte ich das zumindest empfunden. Sie ist sogar zu meiner Hochzeit eingeladen. Nicht in meinen wirrsten Träumen wäre mir in den Sinn gekommen ihr Design zu kopieren“, erklärt uns Cecilia, Gründerin von „We Are Flowergirls“ in einem Statement.

Sie betont, dass sie ihren Badeanzug im gleichen Wickel-Design wie auch schon ihre Kleider und Jumpsuits entworfen hat. „Wer unsere Geschichte und meine Kleider-Designs von 2019 nicht kennt und nicht weiß, dass ich den Prototyp bereits 2019 gepostet habe, der könnte natürlich meinen, dass unsere Designs eine Ähnlichkeit haben„, so Cecilia. „Dass ‚Essentials for Zula‘ ‚We Are Flowergirls‘ nun öffentlich so darstellen möchte, dass wir als befreundetes Label, als Label in derselben Stadt, sie kopiert hätten, ist für mich persönlich sehr enttäuschend und ist schlicht und einfach nicht wahr“, fügt sie hinzu.

Links: Badeanzug von „We Are Flowergirls“, Rechts: Badeanzug von „Essentials for Zula“ (Collage: Essentials for Zula)

Das ganze Statement von „We Are Flowergirls“ findet ihr hier. Das komplette Statement von „Essentials for Zula“ könnt ihr euch hier durchlesen.

Inspiration, Zufall oder Urheberrechtsverletzung?

Die bunte Fashion-Welt hat immer wieder mit Grauzonen zu kämpfen. Ähnliche Designs finden immer wieder bei unterschiedlichen Labels ein Zuhause. Wer von wem abgeschaut hat oder ob es sich um Zufall handelt, ist meist schwer zu sagen. Juristisch kann man sich aber dennoch absichern. Damit man gerade in kreativen Berufen davor geschützt ist, sein originales Design an andere zu verlieren, gibt es den Designschutz beziehungsweise den österreichischen Geschmacksmusterschutz. Dieses kann man österreich- oder EU-weit eintragen lassen.

Die Kosten hierfür variieren. Bei einer Einzelmusteranmeldung kann man mit über 100 Euro Gebühren rechnen. Die Schutzdauer eines eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters beträgt zunächst 5 Jahre ab dem Anmeldetag und kann um einen Zeitraum von jeweils 5 Jahren bis zu einer maximalen Schutzdauer von 25 Jahren verlängert werden. „Beim Geschmacksmusterschutz ist ein Design oder ein bestimmtes Stoffmuster vor Plagiaten geschützt“, erklärt Rechtsanwalt Enes Göksel. „Das kann zu einer Urheberrechtsklage führen und das kann sehr teuer werden. Man klagt dann nicht nur in Hinblick auf die Verletzung selbst. Man begehrt dann auch die Beseitigung dieser Plagiate. Also der Urheber möchte die Kopien höchstwahrscheinlich vom Markt entfernen lassen. Außerdem muss der Urheberrechtsverletzer Schadenersatz zahlen“, so der Anwalt.

Geschmacksmuster

Damit man überhaupt einen Geschmacksmusterschutz bekommt, müssen mehrere Kriterien erfüllt sein. „Ein Geschmacksmuster muss natürlich Merkmale haben. Man kann nicht einfach irgendetwas schützen lassen. Bestimmte Farben, Gestalt, Oberflächenstrukturen: Das alles kann man unter dem Designschutz schützen lassen“, erklärt Enes Göksel und betont: „Ein Geschmacksmuster kann man nur schützen lassen, wenn es neu ist.“ Außerdem müsse die Eigenart des Musters gegeben sein. „Zudem gibt es die sogenannte Neuheitsschonfrist. Damit ein Design oder Muster als neu gilt, muss es spätestens 12 Monate nach der ersten Veröffentlichung – zum Beispiel bei einer öffentlichen Präsentation – als Geschmacksmuster angemeldet werden.

Ist das Geschmacksmuster erst einmal angemeldet, hat man gute Chancen, vor Gericht gegen mögliche Kopien vorgehen zu können. Besteht kein Geschmacksmusterschutz sieht die Sache aber ganz anders aus, wie Rechtsanwalt Enes Göksel erklärt: „Dann ist es immer eine Beweisfrage. Dann muss man schauen, wer glaubwürdiger ist.“

Great Minds think alike: Zufälle gibt es. Anfang des 20. Jahrhunderts etwa kamen zur gleichen Zeit völlig unabhängig voneinander mehrere Erfinder auf die Idee des Rotor-Prinzips zur Verschlüsselung von Texten. Der bekannteste unter ihnen, Arthur Scherbius, erhielt 1918 sein erstes Patent für die „Enigma“ – eine Maschine, die während des Zweiten Weltkrieges zur Verschlüsselung des Nachrichtenverkehrs der Wehrmacht verwendet wurde. Dass mehrere Menschen zur gleichen Zeit auf dieselbe Idee kommen, kommt vor. Ob es sich beim aktuellen Streit zwischen „We Are Flowergirls“ und „Essentials for Zula“ um gegenseitige Inspiration, Zufall oder eine Kopie handelt, wird sich wohl nie klären. Dass beide Labels, die Wiener Modewelt bereichern, bleibt eine Tatsache,


„Essentials For Zula“: Das Wiener Label veröffentlicht am 5. April seine neue Swimwear-Kollektion für den Sommer 2021.

„We Are Flowergirls“: Die aktuelle Swimwear-Kollektion der Wiener Brand ist im Online-Shop erhältlich.