Italien sieht sich einem neuen Höhepunkt in der Coronavirus-Krise entgegen. Der Zivilischutz meldet 368 neue Tote binnen 24 Stunden. Ex-Premier Matteo Renzi richtet nun mahnende Worte an Deutschland.

Italien hat 368 weitere Todesfälle durch das Coronavirus binnen 24 Stunden gemeldet. Es ist der höchste Anstieg innerhalb eines Tages seit Beginn der Zählungen. Damit sind in Italien inzwischen 1809 Menschen an der von dem Virus ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19 gestorben.

Die Gesamtzahl der Coronavirus-Infektionen stieg mittlerweile auf knapp 25.000, das waren 3.509 Fälle mehr als am Vortag. Die am schlimmsten betroffene Region ist nach wie vor die Lombardei im Norden des Landes: Dort starben bereits 1.218 Menschen, 13.272 Patienten sind nach Angaben der Behörden infiziert.

Zuerst der Streit, dann das Coronavirus-Chaos

Zu Beginn haben Italiens Politiker noch munter über Corona gestritten. Als es vergleichsweise wenige Infizierte gab, forderten Gouverneure und Bürgermeister im Norden, es mit den Schutzmaßnahmen nicht zu übertreiben.

Matteo Renzi, Parteichef von Italia Viva und Ex-Premier von Italien spricht nun in einem Interview mit dem deutschen Magazin SPIEGEL Klartext: „Wir müssen jetzt verhindern, dass alle Menschen gleichzeitig krank werden. Das Virus ist in Italien zwar sehr viel weiter verbreitet als in anderen Ländern Europas. Aber Achtung: Es gibt eine realistische Gefahr, dass Staaten wie Deutschland und Frankreich in den nächsten Stunden und Tagen die gleichen Maßnahmen ergreifen müssen wie wir. Corona kennt keine Grenzen, das Virus kommt überall an.“ Und Renzi führt weiter aus: „Länder wie Deutschland, Frankreich, Spanien oder Großbritannien wissen doch, welche Versäumnisse es in Italien gab. Mein Appell an die deutschen Freunde ist deshalb: Passt auf, dass ihr nicht dieselben Fehler wie Italien macht. Verschwendet keine Zeit! In einer Woche seid ihr an dem Punkt, an dem wir heute stehen. Ihr steht mit euren Fallzahlen vor derselben Kurve wie Italien!“

Coronavirus indirekt aus China eingeflogen

Italien hat in den ersten Wochen des Jahres einige Fehler gemacht und so die Ausbreitung des Virus gefördert. Es wurden im Jänner zwar die Direktflüge aus China blockiert, jedoch flogen insbesondere Arbeiter für die Textilindustrie und chinesische Touristen unkontrolliert über andere europäische Drehkreuze nach Italien ein. Zudem wurden einige Gesetze und Vorschriften sehr schlecht kommuniziert. Das hat die Bemühungen, eine Verbreitung des Virus einzudämmen, vereitelt – weil sich viele Infizierte weiter ungehemmt bewegen konnten.

Zustände in Spitälern „wie im Krieg“

Vor allem in den lombardischen Provinzen Bergamo und Brescia, die inzwischen als die beiden wichtigsten Infektionsherde des Landes gelten, wird die Situation von Tag zu Tag dramatischer. Das medizinische Personal in vielen Krankenhäusern Norditaliens muss sich an eine neue Abkürzung gewöhnen: „NCR“. Das steht für „non candidabili alla rianimazione“ – und bedeutet so viel wie: kann nicht in der Reanimation aufgenommen werden.

Der Mangel an Betten in den Intensivstationen hat dazu geführt, dass die Ärzte in bestimmten Fällen über Leben und Tod entscheiden müssen.
Das Personal in den Krankenhäusern, das wegen der stetig wachsenden Zahl von Covid-19-Patienten zum Teil 18-Stunden-Schichten leistet und kaum noch einen freien Tag beziehen kann, ist an der Grenze der physischen und psychischen Belastbarkeit angelangt.

Eines der besten Gesundheitssysteme kolabiert

Das Gesundheitssystem Italiens, das eigentlich zu den besten der Welt zählt, war zumindest bezüglich der Intensivmedizin nicht ausreichend auf die Corona-Krise vorbereitet: Für 60 Millionen Einwohner stehen im ganzen Land nur 5.200 Plätze in Intensivstationen zur Verfügung.

Noch viel schlimmer sieht es im Süden Italiens aus. Sollten dort die Fallzahlen ebenfalls massiv ansteigen, droht laut einhelliger Expertenmeinung innerhalb kurzer Zeit eine medizinische Katastrophe.