Am Sonntag startet die 8. und letzte Staffel von „Game of Thrones“. Ein Forscher der Uni Innsbruck hat sich mit den psychologischen Grundlagen der Serie befasst.

Am Sonntag ist es endlich soweit – zumindest in den USA: Die letzte Staffel von Game of Thrones wird ausgestrahlt. In Europa kann dann die erste Folge der 8. Staffel in der Nacht von Sonntag auf Montag gesehen werden. Game of Thrones zählt zu den erfolgreichsten Serien, die jemals zu sehen waren. Aber was sind die Gründe dafür, dass Menschen in aller Welt die Geschichten rund um Könige, Drachen und Intrigen so spannend finden?

Ein österreichischer Wissenschaftler hat sich das Phänomen genau angesehen: Der Bildungswissenschaftler und Psychologe Dr. Gerald Poscheschnik lehrt an der Universität Innsbruck und ist dort Leiter des Instituts für Psychosoziale Intervention und Kommunikationsforschung. Seine grundlegende Erklärung: „Die Serie bietet einige sehr moderne Anknüpfungspunkte und Möglichkeiten zur Identifikation.“ Die Charaktere seien nicht plump gut oder böse gezeichnet, sie durchleben einen Entwicklungsbogen. „Man will wissen, wie es weitergeht.“ All das sind Merkmale erfolgreicher Serien oder Filme, die eben auch hier erfüllt werden.

Psychoanalytischer Blick auf Game of Thrones

Das alleine wäre aber noch keine wissenschaftliche Erklärung, Poscheschnik hat sich die Serie aber aus einem psychoanalytischen Blickwinkel ganz genau angesehen. Vor allem war er an der Großgruppendynamik interessiert, die sich in der Topographie der fiktiven Welt widerspiegelt. Grundsätzlich sei die Interpretation von Büchern oder Filmen in der psychoanalytischen Forschung nicht ungewöhnlich, erklärt Poscheschnik in einer Aussendung der Uni Innsbruck.  Bekannte Werke wie etwa „Vertigo“ von Alfred Hitchcock bieten eben viel Analysematerial. „Psychoanalyse interessiert sich dabei immer auch für den Subtext – das heißt, für Themen, die nicht explizit angesprochen werden.“

Geographisch gibt es in Game of Thrones, das ja auf der Roman-Serie „Das Lied von Eis und Feuer“ von George R.R. Martin beruht, drei wichtige Gebiete: Westeros ist der Name des Hauptkontinents, auf dem sich die Handlung größtenteils abspielt. Eine Mauer aus Eis grenzt den Süden dieses Kontinents vom gefährlichen Norden ab und schützt vor den sogenannten „Weißen Wanderern“. Im Osten trennt ein Meer Westeros vom Nachbarkontinent Essos. Für Gerald Poscheschnik verkörpern diese drei Gebiete – also Westeros, der Norden von Westeros sowie Essos – und die dortigen Handlungsstränge das Unbewusste, das auch unsere heutige Gesellschaft prägt: „Westeros ist die Welt im Konflikt, im Niedergang, symbolisiert durch den Tod des Königs als Auslöser.“ Hier herrscht Krieg, hier wird intrigiert und gemordet, auch vermeintlich edle Charaktere können hier nicht viel ausrichten und sterben in der Serie. Das könne als Chiffre für die heutige Kultur gelesen werden, in der ebenso die Gesellschaften immer mehr auseinanderklaffen.

Das Verdrängte im Norden

Der Norden wiederum verkörpert seiner Meinung nach das Verdrängte – also die Gefahr, die man bewusst ignoriert oder weglächelt: „In der Serie werden Warner verlacht, niemand nimmt die Bedrohung ernst“, sagt Poscheschnik. Vergleiche mit realen Bedrohungen wie dem Klimawandel liegen hier nahe. Und zu guter Letzt verkörpere Essos die Hoffnung: Die Königin, die vermeintlich Ordnung in Westeros schaffen kann, kommt ja bekanntlich von dort. „Essos ist Projektionsfläche für die Hoffnung auf eine gute Wendung, auf eine Lösung der Konflikte und eine Abwehr der Gefahr.“ In Zeiten der Angst und der Krise tauche immer Hoffnung auf und diene dazu, „um uns über Schlimmes hinwegzutragen und zu trösten“, sagt der Wissenschaftler. Auch das sei eine Form des Selbstbetrugs, ähnlich der Verdrängung.

Aber der Forscher weiß auch: „Game of Thrones“ ist letztlich ganz einfach ein spannendes Stück Fernsehen. Anders wären die großen Erfolge, die die Serie feiert, auch gar nicht möglich. „Die Macher weben da einen sehr dichten Teppich an Erzählsträngen, die Charaktere mit ihrer Ambivalenz sind glaubwürdig.“ Wenn man sich nicht von der äußeren Form blenden lässt, komme man drauf, dass diese Serie ein sehr guter Spiegel unserer Gesellschaft ist. Popkultur sei ja auch immer Ausdruck eines Zeitgeists, manchmal sogar Katalysator – und gerade Game of Thrones beweise das.

Link zur wissenschaftlichen Arbeit von Dr. Gerald Poscheschnik.