In Italien sorgt ein Gerichtsurteil derzeit für Schock: Ein Hausmeister greift einer 17-Jährigen in die Hose und muss sich dafür vor Gericht verteidigen. Doch der Mann wird freigesprochen. Die Begründung: er habe sie weniger als zehn Sekunden lang begrapscht.

Als Reaktion auf diese Begründung zeigen Frauen jetzt, wie furchtbar lange zehn Sekunden eigentlich sind.

Hausmeister begrapscht Schülerin

Als eine 17-jährige Schülerin im April 2022 die Treppen ihrer Schule hinaufgeht, ahnt sie wohl nicht, welches Schockerlebnis gleich passiert. Denn auf ihrem Weg durch die Schule fasst ihr plötzlich der Hausmeister- ein 66-jähriger Mann – von hinten in ihre Hose hinein. „Der Hausmeister kam von hinten, ohne etwas zu sagen. Er schob seine Hände in meine Hose und in meine Unterwäsche“, erzählt das Mädchen rückblickend. Als sie sich jedoch umdreht, ist die Reaktion des Hausmeisters: „Liebes, du weißt, das war ein Scherz.“

Für die 17-Jährige war das Begrapschen aber eben alles andere als Scherz und der Fall der Belästigung kommt vor Gericht. Und auch dort gibt der Hausmeister zu, dass er das Mädchen tatsächlich begrapscht hat; er beteuert aber weiterhin, dass es sich um einen Scherz gehandelt habe. Während der Anwalt des Mädchens eine dreieinhalbjährige Strafe für die Aktion fordert, geht der Fall vor Gericht aber ganz anders aus. Denn nach Ansicht des Richters handelt es sich bei dem Vorfall um „kein Verbrechen“. Der Grund: es dauerte weniger als zehn Sekunden lang. Der Hausmeister darf also als freier Mann wieder gehen.

„Für mich war es kein Scherz“

Die betroffene 17-Jährige ist von dem Urteil noch immer schockiert. Gegenüber der Zeitung „Corriere della Sera“ erzählt sie, welche Konsequenzen das Erlebnis für sie hatte. „Die Richter haben entschieden, dass er einen Scherz gemacht hat? Nun, für mich war es kein Scherz“, so die junge Frau. „Er betatschte meinen Hintern. Dann zog er mich hoch – und verletzte mein Geschlechtsteil. Für mich ist das kein Scherz. So sollte ein alter Mann nicht mit einem Teenager ’scherzen‘.“

Es waren eben diese Sekunden, die von dem Gericht nicht ernst genommen wurden, die sie jetzt nachhaltig prägen. Denn die 17-Jährige betont, dass sie sich doppelt verraten fühlt. Einerseits von ihrer eigenen Schule, andererseits von der Justiz. „Ich fange an zu glauben, dass es falsch war, den Institutionen zu vertrauen. Das ist keine Gerechtigkeit“, sagt sie.

Protest auf Social Media

Doch mit diesem Ärger ist sie nicht alleine. Denn zahlreiche Menschen äußern in den Sozialen Medien, wie geschockt sie von dem Urteil sind. Denn dass eine Belästigung nur dann ein Verbrechen ist, wenn sie mindestens zehn Sekunden lang andauert, können viele schlichtweg nicht nachvollziehen. In den Sozialen Medien trenden derzeit deshalb Hashtags wie #10secondi und #palpatabreve (übersetzt: „kurzes Betatschen“). Unter den Hashtags finden sich auch Videos von Menschen, die sich bewusst zehn Sekunden lang an den Brüsten anfassen oder von anderen angreifen lassen. „White Lotus“-Darsteller Paolo Camilli machte den Anfang und kritisiert so das Urteil des Richters – und viele schließen sich an.

Frauen wie Camilla Pagliarosi zeigen in Videos so die brutale Realität von zehn Sekunden und machen deutlich: eine Belästigung, die so lange dauert kann viel anrichten. „Zehn Sekunden, die zu einem Leben voller Alpträume, Unsicherheiten, Ängsten, Misstrauen werden“, schreibt Camilla zu ihrem Video und verdeutlicht, wie einschneidend das Erlebnis für das junge Mädchen wohl war.

@paolocamilli

Lo Stato non dovrebbe proteggere? 🤷🏼‍♀️ #10secondi #molestie #reato #attualità

♬ suono originale – paolocamilli

Auch der Influencer Frncesco Cicconetti beteiligt sich an dem Protest und prangert die italienische Justiz an. Zu seinem Instagram-Video schreibt er nämlich: „Wer bestimmt, dass zehn Sekunden keine lange Zeit sind? Wer stoppt denn die Sekunden, während du belästigt wirst?“ Abschließend will er eines verdeutlichen: „Ihr habt nicht das Recht, die Körper von Frauen anzufassen, nicht einmal für eine Sekunde; geschweige denn fünf oder zehn.“