Seit den Wahlen in Belarus Anfang August protestieren etliche Bürger gegen die Regierung. Vor wenigen Tagen verschwand die Oppositionspolitikerin Maryja Kalesnikawa. Nun befindet sie sich offenbar in Untersuchungshaft.

Wie ihre Anwältin mitteilte, sei ihr physische Gewalt angedroht worden.

Kalesnikawa von Geheimdienst in U-Haft gebracht

Gemeinsam mit Swjatlana Zichanouskaja und Weranika Zapkala bildete Maryja Kalensikawa ein Trio von Frauen, das gegen den autoritär regierenden Präsidenten Aljaksandr Lukaschenka antrat und bei der Bevölkerung überraschende Erfolge erzielen konnte. Die Präsidentschaftswahlen gingen zugunsten des Präsidenten aus – angeblich. Denn sie gilt als Scheinwahl, weil Wahlmanipulationen nachgewiesen werden konnten und man Gegenkandidaten im Vorfeld festgenommen hatte. Lukaschenka wird seit der Wahl von der EU nicht mehr als legitimer Präsident von Belarus anerkannt. Die Polizei schoss bei den Protesten gegen die Regierung teilweise mit scharfer Munition gegen die Demonstranten. Die Oppositionspolitikerin Swjatlana Zichanouskaja floh nach den Wahlen nach Litauen.

Die Oppositionelle Maryja Kalesnikawa galt seit 7. September als verschwunden. Zwei Tage später wurde bekannt, dass sie vom belarussischen Geheimdienst offenbar in Untersuchungshaft gebracht wurde. Ihre Anwältin Ljudmila Kasak konnte sie dort besuchen und sagte, die Ermittler würden Kalesnikawa „Aufruf zur Machtübernahme und der gewaltsamen Änderung der Verfassung“ vorwerfen, wie die unabhängige Nachrichtenseite tut.by berichtete. Kalesnikawa sei zudem physische Gewalt angedroht worden. Die Oppositionspolitikerin soll angeblich noch am 10. September von Ermitteln vernommen werden.

Zwangsausreise in die Ukraine

Laut Angaben war Kalesnikawa in Minsk verschleppt worden und sollte noch am 8. September gegen ihren Willen in die Ukraine gebracht werden. Doch Berichten zufolge zerriss sie ihren Pass und warf ihn aus dem Autofenster. Vor ihrer Verschleppung hatte die Politikerin betont, dass sie Belarus nicht verlassen werde.

Unterschätzte Frauen

Lange Zeit war es international still um Belarus. Und das, obwohl das Land seit 1994 als letzte Diktatur Europas gilt. Ein aktueller UN-Bericht zeigt 450 Fälle von Folter und Misshandlung seit den Präsidentschaftswahlen am 9. August auf. Folter und Misshandlung von Gefangenen durch das Regime. Was gerade in Belarus passiert, kommt nicht plötzlich. Schon lange gab es Unmut gegen den Präsidenten. Doch vor den Wahlen 2020 gab es mit der neuen Riege an Oppositionspolitikerinnen so etwas wie Hoffnung. Die Frauen feierten große Erfolge in der Bevölkerung, was vor allem eine große Überraschung für das autoritäre Regime Lukashenkas war. Die Frauen rund um Kalesnikawa und Zichanouskaja haben es verstanden, die Menschen emotional abzuholen.

Doch die Politikerinnen wurden aufgrund ihrer politischen Unerfahrenheit auch beschimpft. Kalesnikawa etwa ist professionelle Flötistin und Musikpädagogin. In den Medien sahen sie sich mit Beleidigungen wie etwa „Schlangen“ oder „Frauchen“ konfrontiert. Doch eines ist klar: Man hat sie vor allem unterschätzt.