Dass Hollywood-Produktionen für Schlagzeilen sorgen, ist keine Überraschung. Doch in den vergangenen Monaten gab es vor allem zu einem Thema Diskussionen: Wer darf wen spielen und wie schafft man Repräsentation im Film?

Die Ansätze sorgen immer wieder für Aufregung.

Bradley Cooper in „Maestro“: Zwischen Oscar-Nominierung und Shitstorm

Es ist einer der großen Netflix-Filme des vergangenen Jahres: In „Maestro“ spielt Bradley Cooper den legendären Komponisten und Dirigenten Leonard Bernstein. Ein Biopic, das schon vor der Veröffentlichung die eine oder andere Hoffnung auf einen Oscar laut werden ließ – tatsächlich ist Cooper als Bester Haptdarsteller nominiert.

Auch, weil sich Cooper für die Rolle offenbar komplett verwandelt hat. Bereits im Mai 2022 schreiben zahlreiche Medien über die extreme Transformation, die Cooper durchmachte, um dem Komponisten ähnlicher zu sehen. Doch ein genauer Blick auf die ersten Bilder sorgt auch für Aufregung. Denn Cooper veränderte für die Rolle nicht nur seine Frisur und seine Garderobe, sondern griff auch zu Prothesen. Konkret nutzte er eine Nasenprothese, damit sein Gesicht dem des jüdischen Komponisten stärker gleicht.

In kürzester Zeit sorgt das für einen Shitstorm. Der Vorwurf: Bradley Cooper, der selbst nicht jüdischer Abstammung ist, zeige hier jüdische Stereotype, manche sprechen sogar von einer Form des „Jewface“. „Hollywood hat Bradley Cooper, einen Nichtjuden, für die Rolle der jüdischen Legende Leonard Bernstein gecastet und ihm eine ekelhaft übertriebene ‚jüdische Nase‘ verpasst“, kritisiert etwa die Organisation Stop Antisemitism auf X (ehemals Twitter).

Die Kinder von Leonard Bernstein verteidigten Cooper später und betonten online, dass sie mit der Prothesen-Entscheidung einverstanden sind. „Es ist wahr, dass Leonard Bernstein eine schöne, große Nase hatte. Bradley hat sich entschieden, Make-up zu benutzen, um seine Ähnlichkeit zu verstärken, und das ist für uns völlig in Ordnung. Wir sind uns auch sicher, dass unser Vater ebenfalls damit einverstanden gewesen wäre“, erklärten sie auf X. Doch die Debatte rund um den Film weitete sich schon kurze Zeit später noch mehr aus. Eine Frage steht schließlich im Raum: Warum spielt denn eigentlich Cooper Bernstein? Sollte die Rolle nicht lieber an einen jüdischen Schauspieler gehen?

Von Blackfacing und Whitewashing

Es ist eine Frage, die weit über „Maestro“ hinausgeht. Denn Casting-Entscheidungen sorgten in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder für Aufregung. Online wurde vor allem 2023 immer wieder die Frage wiederholt: Darf diese Person denn in diese Rolle schlüpfen? Die Frage, wer denn welche Ethnie, Religion oder Nationalität spielen sollte – und wer nicht – kann großen Einfluss auf Produktionen und ihren Cast haben. Das zeigen einige Filmbeispiele aus der Vergangenheit.

Eines der bekanntesten ist wohl der Einsatz von Blackface in zahl­reichen Filmen Anfang des Jahrhunderts; doch auch für einige Klassiker wurden problematische Casting-Entscheidungen getroffen – wie etwa jene von Mickey Rooney in dem Kultstreifen „Frühstück bei Tiffany“. Rooney, ein weißer US-Amerikaner, spielte in dem Film den asiatischen Nachbarn Mr. Yunioshi. Für die Rolle trug Rooney eine Zahnprothese und Make-up und zeigte im Film zahlreiche diskriminierende und rassistische Stereotype über Asiat:innen.

Derartige Rollen und die Besetzung von weißen Menschen für Figuren, die eigentlich andere
Nationalitäten und Ethnien zeigen, stehen heute immer mehr im Fokus hitziger Debatten und werden oft
scharf kritisiert. Doch ganz geklärt ist die Thematik noch lange nicht. Denn auch, wenn Dinge wie Whitewashing, Blackfacing und Co mittlerweile schnell angeprangert werden, bleibt die Frage, wie weitreichend diese Sensibilität denn gehen soll. Bezieht sie sich nur auf das, was wir sehen, oder auch auf das, was wir hören?

In Animationsfilmen steht etwa ebenfalls mehr und mehr die Frage im Fokus, wer und was auf den Bildschirmen repräsentiert wird. Wurde „Aladdin“ 1992 im gleichnamigen Film noch von einem weißen Mann synchronisiert, setzte man beim Voiceover von „Vaiana“ 2016 mit Auli’i Cravalho den Fokus schon auf eine Sprecherin, die so wie die Figur aus Hawaii kommt. Wenn es um die Frage der Synchronisierung in anderen Sprachen geht, ist das aber nicht immer garantiert – denn bei der Übersetzung einiger Verfilmungen, sowohl bei animierten als auch bei Live-Action, ist das Casting bei der Synchronisierung nicht immer an den tatsächlichen Cast angepasst.

Ist Colorblind Casting die Lösung für Repräsentation?

Und auch die Frage nach Lösungsansätzen zeigt immer wieder Grenzen auf. Das Stichwort ist hier Colorblind Casting, eine Methode, die in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden ist. Gemeint ist damit, dass bei der Besetzung einer Rolle ihre Hautfarbe und Herkunft keine Rolle spielen sollten. Beliebte Beispiele sind etwa „Bridgerton“, „The Witcher“ oder zuletzt die Realverfilmung von „Arielle“. Es sind Entscheidungen, die auch für Aufregung und Shitstorms sorgen können, wie etwa bei „Arielle“ oder der kommenden Verfilmung von „Schneewittchen“. Denn dass die Märchenfigur, die mit „Haut, so weiß wie Schnee“ beschrieben wurde, von der Latina Rachel Zegler gespielt wird, kritisieren einige schon vor dem ersten Trailer.

Im Gegensatz zur Debatte rund um Leonard Bernstein oder Mr. Yunioshi gibt es hier aber einen klaren Unterschied: Die Kritik an Besetzungen wie der von Halle Bailey oder Rachel Zegler wird meist von rassistischen und diskriminierenden Internet-Trollen dominiert. Wer sich die Debatten ansieht, merkt schnell, dass man diese Castings nicht mit einer kulturellen Aneignung vergleichen kann, denn in den meisten Fällen von Colorblind Casting hat die Hautfarbe oder Herkunft der Figur keine Relevanz; ihr Aussehen spielt für die Geschichte nur eine geringe Rolle – oder es wird ganz bewusst mit diesem
Gegensatz gespielt, um PoC-Darsteller:innen, die oftmals unterrepräsentiert sind, eine Chance zu geben, tragende Rollen zu spielen.

Auf der Suche nach der Problemlösung

Aber wie können sich diese Streitpunkte auflösen? Eine eindeutige Antwort darauf gibt es nicht. Klar ist, dass Casting-Entscheidungen zuletzt ein deutlich sensibleres Thema geworden sind. Aspekte wie das „Jewface“, Blackfacing oder die Aneignung einer anderen Kultur mithilfe von Make-up und Prothesen garantieren schon fast einen Shitstorm. Wer sich aktuelle Debatten online ansieht, scheint einen Wunsch
ganz klar zu erkennen: Wenn es sich in der Geschichte um Personen handelt, deren Nationalität, Hautfarbe oder Religion für die Handlung eine tragende Rolle spielt, dann sollte diese Figur auch von Vertreter:innen der jeweiligen Nationalität gespielt werden. Repräsentation sollte schließlich durch die Menschen entstehen, die auch wirklich die Ethnie oder Herkunft repräsentieren.

Spielt das Aussehen oder die Nationalität für die Geschichte jedoch keine Rolle oder wird mithilfe vom
Colorblind Casting bewusst mit der Besetzung gespielt, können sich ein paar Casting-Experimente durchaus lohnen.