Seit Wochen ist der sogenannte „schwedische Sonderweg“ im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus Thema in den Medien. Denn anders als in den meisten Ländern gibt es in Schweden weniger strenge Maßnahmen. So haben etwa Restaurants und Bars weiterhin offen.

Doch dieser Sonderweg sei ein „Mythos“ sagt nun Regierungschefin Isabella Lövin in einem Interview mit BBC.

Schweden: „Wir verfolgen nicht die Strategie der Herdenimmunität“

In einem BBC-Interview stellte die schwedische Regierungschefin Isabella Lövin nun klar, dass der „schwedische Sonderweg“ ein Mythos sein und man nicht die Strategie der Herdenimmunität verfolge, um das Coronavirus zu bekämpfen. Auch Schweden habe das Ziel das Virus so gut wie möglich einzudämmen und das Gesundheitssystem nicht zu belasten, so Lövin. Denn wie die Regierungschefin im Interview auch meinte, habe Schweden hinsichtlich seiner aktuellen Strategie zum Schutz der Bevölkerung ein „großes Problem“.

Abgesehen davon würden auch in Schweden derzeit keine großen Partys gefeiert und volle Einkaufsstraßen gibt es auch dort gerade nicht. Denn trotz der lockeren Maßnahmen arbeiten viele Menschen von zu Hause aus und versuchen nur in dringenden Fällen raus zu gehen.

Die schwedische Coronavirus-Strategie

In dem skandinavischen Land haben Schulen und Geschäfte zum Teil noch immer offen. Die Regierung möchte mit Information und Empfehlungen die Ansteckungsrate so gering wie möglich halten. Denn laut den Experten in Schweden könne man die Verbreitung des Virus ohnehin nicht stoppen. So argumentierte auch Anders Tegnell, der Chef-Epidemiologe des Landes. Demnach verfolge aber auch Schweden dasselbe Ziel wie alle andere Länder: Die Kurve der Ansteckungen möglichst flach zu halten.

Wie Lövin in dem BBC-Interview weiter klarstellte, habe man aber auch in Schweden sehr wohl Beschränkungen und Verbote erlassen. Man dürfe beispielsweise ältere Menschen in Heimen derzeit nicht besuchen. Außerdem sind Veranstaltungen mit mehr als 50 Leuten untersagt. Und auch in Schweden muss man Abstandsregeln einhalten. Das gilt auch für Bars und Restaurants. Wer sich nicht daran hält, muss mit Konsequenzen rechnen. Denn wie die Regierung vorige Woche miteilte, würde man nun auch den Druck auf Cafés und Bars erhöhen und stärker kontrollieren. Das gab Innenminister Mikael Damberg am Freitag bekannt. So wurden daraufhin etwa in Stockholm fünf Lokale geschlossen, weil sich die Gäste nicht an den Sicherheitsabstand hielten.

Corona-Todeszahlen steigen

Während viele Europäer beinahe schon „neidisch“ auf die lockeren Maßnahmen Schwedens sind, zeigt sich mittlerweile aber auch, dass diese Strategie nicht unbedingt erfolgreicher ist als andere. Ganz im Gegenteil. Angesichts der steigenden Todeszahl im Land – mittlerweile sind es über 2.000 – könnte sich die Situation auch dort noch in eine komplett andere Richtung entwickeln, warnen auch Experten. Dortzulande würde man derzeit außerdem noch viel zu wenig testen. Hinsichtlich der steigenden Todesfälle im Land sprechen Experten mittlerweile sogar von Übersterblichkeit und das sei ein eindeutiger Gradmesser dafür, dass diese Todesfälle tatsächlich auf eine bestimmte Krankheit zurückzuführen sei.

Und dessen ist sich auch der Ministerpräsident Stefan Löfven bewusst: „Wir werden mit tausenden Tote rechnen müssen“, erklärte in einem Interview mit der Zeitung Dages Nyheter. „Die Gefahr ist noch lange nicht vorbei“, betonte er zudem bei einer Pressekonferenz. Sollte sich die Situation in Schweden zu rasch ändern, werde man vermutlich auch dort strengere Maßnahmen setzen.

Eine entsprechende Vollmacht der Regierung, die Regeln zu verschärfen, gibt es übrigens bereits.