Wie ist es möglich, dass Männer sich nach einem abendlichen Streitgespräch hinlegen und sofort friedlich einschlafen – während wir aufgewühlt und traurig kein Auge zu bekommen? Können Sie besser abschalten? Oder geht ihnen Zwischenmenschliches einfach nicht so nah wie uns? Wir haben einen Beziehungscoach gefragt, warum das so ist. 

Dominik Borde ist Gründer und Coach der Beziehungs-Academy SozialDynamik mit Sitz in Wien. In fünf Fragen beantwortet er uns, warum unterschiedliche Herangehensweisen bei Streit und Konflikten auch ihr Gutes haben.

1. Wie ist es möglich, dass Männer sich nach einem abendlichen Streit hinlegen und sofort friedlich einschlafen?

„Zunächst einmal: Nicht alle Männer können nach einem Streit einfach einschlafen, da würde ich nicht alle Männer über einen Kamm scheren. Ganz viele Männer beunruhigt es sehr, wenn ihre Partnerin unglücklich oder unzufrieden ist. Dass Männer nach einer Auseinandersetzung dennoch eher in den Schlaf finden, hat nicht grundsätzlich mit mangelnden Gefühlen zu tun, sondern liegt daran, dass Männer und Frauen von Natur aus unterschiedlich mit Konflikten und Problemen umgehen – und das hat tatsächlich seinen Sinn.“

2. Aha, und der wäre?

„Männer gehen bei Streit und Konflikten eher ins Testosteron. Das heißt, sie setzen auf Kampf und Verteidigung, sie rechtfertigen und verteidigen sich und versuchen, das Problem kleinzureden und zügig zu lösen, denn für einen Mann ist nur ein gelöstes Problem ein gutes Problem. Frauen hingegen gehen bei einem Streit ins Östrogen. Sie werden emotional und möchten das Problem ausführlich besprechen, um ihm auf den Grund zu gehen. Rein Evolutionsbiologisch ist das typisch männlich und typisch weiblich. Demnach ist es die Aufgabe des Weiblichen, Dinge von unterschiedlichen Seiten zu beleuchten und alles in Verbindung mit allem zu sehen, während es die Aufgabe des Männlichen ist, auch im größten Drama einen kühlen Kopf zu bewahren.“

3. Und wie kommen wir aus diesem Dilemma raus?

„Jetzt geht es darum, diese Unterschiedlichkeit nicht als Widerstand, sondern als Möglichkeit zu begreifen, denn diese unterschiedlichen Herangehensweisen können zur Lösung des Problems sehr dienlich sein, wenn man sich nicht negative Intentionen unterstellt.“

4. Schwierig, wenn er einfach einschläft …

„Die männliche Sichtweise kann sehr wertvoll sein und als ruhiger Fels in der Brandung Entspannung in die Auseinandersetzung bringen. ‚Wir haben nur gestritten, es ist nicht mehr und nicht weniger. Morgen ist ein neuer Tag.‘ Wenn jeder total emotional ist, ist auch keiner in der Lage dazu, strukturiert darüber nachzudenken oder etwas einmal eine Nacht liegen lassen und nichts damit zu tun. Oft ist es sehr hilfreich, Dinge eine Nacht ruhen zu lassen und am nächsten Tag mit frischem Kopf darüber nachzudenken. Wenn im allergrößten Drama beide nicht schlafen können, ist außerdem keiner fit für die Dramen des nächsten Tages. Andersherum ist es genauso wertvoll und wichtig für die Beziehung, wenn die Frau sagt: ‚Okay, wir müssen uns trotzdem anschauen, wie es uns damit geht und darauf achten, dass wir beide uns gesehen, gehört und verstanden fühlen.'“

5. Und wann sollen doch die Alarmglocken schrillen?

„Nur wenn du generell das Gefühl hast, ihm egal zu sein und er insgesamt den Eindruck macht, dass ihm die Beziehung gleichgültig ist, kann das zusammen mit dem schnellen Einschlafen nach einem Streit ein Signal dafür sein, dass seine Gefühle für dich tatsächlich nicht mehr so stark sind.“