Ein Remake als Oscar-Gewinner: ist das fair? Die Netflix-Verfilmung von „Im Westen nichts Neues“ ist derzeit auf dem Weg dorthin – auch, wegen ihrer brutalen Thematik.

Ob der Film den Oscar verdient hätte, haben wir uns im Filmcheck angesehen.

„Im Westen nichts Neues“: Ein Remake auf dem Weg zum Oscar

Mit „Im Westen nichts Neues“ sind wohl viele schon irgendwann in ihrem Leben in Berührung gekommen. Manche von uns mussten das Buch von Erich Maria Remarque im Deutsch-Unterricht lesen; andere haben sich eine der Verfilmungen (1930 und 1979) im Geschichte-Unterricht angesehen. Denn „Im Westen nichts Neues“ ist eines dieser Werke, das unsere Gesellschaft seit mehr als 90 Jahren prägt. Denn der Roman des ehemaligen Soldaten gilt als eines der größten Werke der deutschen Literatur und zeigte schon wenige Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges seine Absurdität und Brutalität wie sonst keine andere Arbeit.

Zur Erinnerung (für alle, die das Buch in der Schule nur „überflogen“ haben oder beim Film eingeschlafen sind): In „Im Westen nichts Neues“ geht es um den jungen Paul, der manipuliert von der Propaganda im Ersten Weltkrieg unbedingt auch als Soldat in den Krieg ziehen will. Ein Wunsch, der für ihn schon nach wenigen Momenten an der Front zum wahrgewordenen Albtraum wird. Denn was ihm als heldenhafte Mission verkauft wurde, ist einfach nur ein grausamer und sinnloser Kampf ums Überleben zwischen jungen Männern, die eigentlich nur eines wollen: Frieden!

Braucht es ein Remake für einen der legendärsten Filme der Geschichte?

Wer sich „Im Westen nichts Neues“ ansieht, wird mehr als zwei Stunden Anspannung erleben. Anspannung, die einem bis ganz tief in die Knochen geht. Das Wort bedrückend kommt dem, was man fühlt, wenn man die pure Angst in den Augen von jungen Schülern sieht, nämlich nicht einmal nahe. Denn in jeder Sekunde zeigt „Im Westen nichts Neues“ vor allem eines: Krieg ist pure und unnötige Grausamkeit. Hier gibt es nichts zu glorifizieren, nichts zu verherrlichen und nichts zu feiern. Wenn Menschen sich gegenseitig töten, ist das der Innbegriff von Wahnsinn. Kaum ein Moment zeigt das so intensiv wie jener, in dem Paul (gespielt von Felix Kammerer) einen anderen Soldaten im Nahkampf tötet – und Sekunden später versucht, ihm voller Panik zu helfen und scheitert.

Doch auch, wenn „Im Westen nichts Neues“ diese Furcht und Absurdität des Krieges nahezu perfekt darstellt; es ist nicht der erste Film, der das schafft. Denn immerhin gibt es bereits zwei Verfilmungen von „Im Westen nichts Neues“; die erste davon gewann 1930 sogar zwei Oscars. Bis heute gehört sie zu den 100 besten Filmen der amerikanischen Filmgeschichte. Und wie zahlreiche Kritiker:innen rund um die Veröffentlichung des Netflix-Films bereits betonten, bestach die neue Verfilmung eher damit, dass sie deutlich weniger mit der Buchvorlage zu tun hatte als die Vorgänger.

Warum „Im Westen nichts Neues“ aktueller ist denn je

Sollte man also vielleicht nur das Buch lesen und den Originalfilm schauen; hat die Neuauflage dann eine Oscar-Nominierung verdient? Neuverfilmungen und Remakes gehören mittlerweile einfach zu unserem Filmalltag. Mal gelingen sie, mal werden sie von Kritiker:innen zunichte gemacht und sorgen bei Fans für Empörung. Gleiches gilt bei Buchverfilmungen. Doch „Im Westen nichts Neues“ zieht seine Relevanz aus einem ganz anderen traurigen Grund: er ist heute aktueller denn je! Denn auch 2023 finden international Kriege statt, wie wir jeden Tag in den Nachrichten lesen.

Ein Antikriegsfilm wie „Im Westen nichts Neues“ ist deshalb heute notwendig, um den Menschen noch einmal deutlich vor Augen zu führen, was Kriege mit Menschen und Gesellschaften anrichten. So traurig das auch ist: es braucht diesen Film heute, um erneut vor den Traumata eines Krieges zu warnen. Und ein Remake eignet sich ideal, um erneut Aufmerksamkeit für das Thema zu generieren. Vor allem eines, das mit so einer beeindruckenden Ehrlichkeit und Brutalität die Sache thematisiert.