Im Netz überschlagen sich in den letzten Tagen und Wochen die Meldungen über Adele und ihren „tollen Abnehmerfolg“, es fallen immer wieder die gleichen Wörter, im immer gleichen, alten und abgenutzten Kontext: „dünn und glücklich“.

„Was zur Hölle?“, denke ich mir beim Durchlesen der aktuellen Artikel über den Gewichtsverlust von Adele und merke, wie Unruhe in mir aufsteigt. Ich persönlich habe noch nie den gängigen gesellschaftlichen Normen von Schönheit entsprochen, welche wir uns oft selbst aufzwingen. Ich habe jahrelang gegen meine Selbstzweifel gekämpft und viel zu oft verloren. Und mittlerweile bin ich es leid, mich dafür rechtfertigen zu müssen, wie ich aussehe und, dass ich eigentlich stolz auf mich selbst und meinen Körper bin.

Adele, die Heldin der Dicken

Ich kann mich noch ganz genau erinnern, als der Hype um Adele, ihre Musik und vor allem ihren positiven Einfluss auf das Schönheitsbild auf den roten Teppichen begann. Damals war ich knapp zehn Jahre alt und nicht gewöhnt, dass Mädchen wie ich im TV zu sehen sind. Dinge wie „Body Positivity“ aber auch „Bodyshaming“ passierten einfach und standen nicht so sehr im Fokus oder wurden so stark thematisiert, wie heute. Es gab mir Mut, dass es Leute gibt, die keine „klassischen Modelmaße“ haben und sich trotzdem wohl in ihrem eigenen Körper fühlen. Es gab mir Mut, mich selbst so anzunehmen wie ich bin. Ich fühlte mich weniger allein in dem wie ich aussehe und wie ich selbst dazu stehe. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Body Positivity kommt in Shapewear daher

Deshalb versetzt es mich umso mehr in Rage, wenn ich die Headlines über die Gewichtsveränderung von Adele lese. Im Artikel „Adele DÜNN wie NOCH NIE! MAGERSUCHT droht“, schreibt das Magazin VIP zum Beispiel: „Ihr geht es wieder wunderbar! Und das sieht man auch.“ Was ist also die Definition davon, sich gut zu fühlen? Wenn man dünn ist? Es wird dadurch einmal mehr vorgeschrieben, wie wir uns zu fühlen haben, wenn wir dünn oder dick sind.

„Hey Adele, wie geht’s?“

Hat irgendein sogenannter „Insider“, Adele einmal gefragt, wie es ihr eigentlich wirklich geht? Natürlich gehen alle davon aus, dass sie glücklich mit ihrer aktuellen Figur ist und, dass sie nun endlich ihr „neues Leben“ beginnen kann. Aber wie sieht es hinter der Fassade aus? Denn vielleicht geht es ihr auch einfach nicht gut? Immerhin hat die Sängerin gerade eine Trennung und Scheidung hinter sich. Womöglich hat der Gewichtsverlust auch damit zu tun. Denn nur, weil jemand dünn ist oder abgenommen hat, heißt das nicht automatisch, dass es dieser Person gut geht.

Ich habe für mich gelernt, dass mein Gewicht letztendlich nur eine Zahl und keine Definition meines Wohlbefindens ist. Wenn ich alte Bilder von mir sehe, denke ich mir oft: „Warum warst du damals nicht glücklich, wenn ich genau dem entsprochen habe, was ich immer sein wollte?“ Wir sind doch mehr, wir können uns über unzählige Dinge definieren, die nichts mit unserem Hüftumfang, der Akne im Gesicht oder Cellulite am Oberschenkel zu tun haben.

Die guten alten Vorurteile bleiben auch 2020 bestehen

„Mirror, mirror on the wall- Don’t say it, ‚cause I know I’m cute“ singt Lizzo in ihrem weltweit gefeiertem Hit Juice. Es tut sich was, aber noch nicht genug. Wir haben es auch Anfang 2020 immer noch nicht geschafft, mit Themen wie Bodyshaming und Diäten abzuschließen. Wir schaffen es immer noch nicht, dass wir endlich damit aufhören den „Abnehmerfolgen“ anderer nachzueifern, das Gefühl zu haben, uns für andere zu verändern und endlich damit beginnen unseren eigenen Wert schätzen zu lernen. Es passiert vieles Gutes und in den letzten Jahren hat sich bezüglich Diversity und Body Positivity einiges getan. Der Unterschied machen aber noch immer wir, hier vor unseren Bildschirmen. Nur, wenn wir etwas am Umgang mit dem Schönheitsbild ändern, kann im Endeffekt ein wirklicher Unterschied gemacht werden.

Das immergleiche ärgerliche „Kompliment“

„Du siehst aber gut aus, hast du abgenommen? Ähm, nein hab ich nicht aber danke“. Ein klassisches Beispiel davon, womit ich mich fast tagtäglich herumschlagen muss. Vielleicht lieb gemeint, bringt aber im Endeffekt keinem was. Natürlich passieren solche Dinge unbewusst, die Frage ist aber warum? Die Verbindung von Schlankheit und Schönheit ist dank Werbung, Hollywood und Social Media fest in unseren Köpfen verankert. Irgendwann haben wir aufgehört diese Dinge zu hinterfragen und uns dem „Schönheits-Regime“ unterworfen. Natürlich kann man sich nicht jeden Tag fühlen, als hätte man das Selbstbewusstsein von Lizzo. Aber man kann jeden Tag aufs Neue versuchen, sich nicht abzuwerten und durch die Meinung der anderen verunsichern zu lassen. Wir sind wir. Es zählt einzig und allein, was du im Spiegel siehst und nicht, was die Welt versucht dir einzureden. Das ist ein sehr langer und oft steiniger Weg. Aber die Arbeit lohnt sich irgendwann. Ich verspreche es!