Am 7. Juli startet die Tragikomödie „Mermaid’s Don’t Cry“ von Regisseurin Franziska Pflaum, mit Stefanie Reinsperger in der Hauptrolle. Wir haben mit der österreichischen Schauspielerin und ihrer On-Screen-BFF Julia Franz Richter über den Film, private Grenzen sowie Druck im Berufsleben geplaudert.

Außerdem hat uns Stefanie verraten, wie es sich angefühlt hat, mit einer „echten“ Mermaid-Flosse zu schwimmen.

„Mermaid’s Don’t Cry“: Stefanie Reinsperger und Julia Franz Richter im Interview

Wir sind uns sicher: all jene, die „Mermaid’s Don’t Cry“ sehen, werden mit dem Film auf vielen verschiedenen Ebenen relaten können. Da wäre zum einen Annika (Stefanie Reinsperger), eine liebenswerte Supermarktkassiererin, die einfach nur möchte, dass es allen anderen gut geht, aber dabei selbst irgendwie auf der Strecke bleibt. Oder Annikas Traum, sich eine maßangefertigte Meerjungfrauen-Flosse leisten zu können, um ihrer großen Leidenschaft nachzugehen, sich frei zu fühlen. Aber auch die Tatsache, dass Annika von so ziemlich jedem Menschen in ihrem Umfeld ausgenutzt wird, kennen einige bestimmt aus ihrem eigenen Leben.

Was Stefanie Reinsperger, die man aus mehreren „Tatort“-Produktionen, dem Eberhofer-Krimi „Guglhupfgeschwader“ sowie als Buhlschaft in „Jedermann“ kennt, an dieser Rolle besonders gereizt hat? „Ich mag Sachen, die nicht einfach sind“, verrät sie uns lachend. Einfach war es bestimmt nicht, in die Rolle der Annika zu schlüpfen – wortwörtlich. Denn immer wieder sieht man die Supermarktkassiererin mit einer Meerjungfrauenflosse durchs Wasser gleiten.

Bild: Filmladen Filmverleih

„Ich habe Unterricht bei einer zertifizierten Meerjungfrau genommen. Was man aber dazu sagen muss: diese Profi-Meerjungfrauen sind auch Profitaucherinnen“, heißt also, dass Stefanie mehr oder weniger eine eigene Sportart erlernen musste. Denn „mermaiding“, so der Name der Aktivität, ist bereits seit längerer Zeit sehr gefragt. „Anfangs habe ich das fälschlicherweise etwas belächelt, wurde dann aber eines Besseren belehrt“, so die Schauspielerin.

„Es ist wirklich sehr anstrengend“, erinnert sich Reinsperger. Am Ende hat es dann aber dennoch Spaß gemacht: „Wenn man diese Flosse dann trägt, ist man aber plötzlich super schnell im Wasser“. An Land sah das aber schon wieder anders aus: „Im Wasser ist das alles super. Aber an Land ist es eine Vollkatastrophe“, gesteht die 35-Jährige lachend. Immerhin wiegt eine derartige, maßangefertigte Luxusflosse, wie im Film beschrieben, um die 25 Kilogramm.

Mermaid aus Leidenschaft

Der Hype rund um Meerjungfrauen besteht bereits seit geraumer Zeit. Erst waren es die mystischen Wesen, die die Menschheit fasziniert haben. Dann kam Hollywood und machte eine idealisierte Version daraus, durch die Barbie-Puppen und Disneyfilme („Arielle“) entstanden sind. Und dann gibt es da auch Regisseurin Franziska Pflaum, die in ihrem Spielfilmdebüt zeigt, was Meerjungfrauen mit großen Träumen von ganz normalen Menschen zu tun haben können.

Denn Annika träumt davon, ihre billige Stoff-Flosse gegen eine Luxusvariante auszutauschen. Doch der Preis von mehreren Tausend Euro lässt sie erstmal etwas zurückschrecken. Dann realisiert sie aber, dass es Zeit ist, endlich mal auf sich zu achten und genau das zu tun, was sie jetzt unbedingt möchte. Und das ist eben diese Flosse. Angetrieben von ihrem Willen, versucht Annika nun alles dafür zu tun, um sich diese Flosse leisten zu können und sich endlich frei zu fühlen.

Das ist womöglich auch einer der Gründe, weshalb sich Menschen dazu entschließen, professionelle Mermaids zu sein. Darüber haben wir auch mit Julia Franz Richter, die im Film Karo, die beste Freundin von Annika spielt, gesprochen. Ihre Meinung dazu: „Es verbindet in gewisser Weise den sportiven Effekt mit dem sensationellen Effekt. Man kann so auch in Fantasiewelten eintauchen, die man vielleicht aus der Kindheit kennt. Unter Wasser bekommt man dann auch so ein bisschen das Gefühl vom Loslassen“. Und genau das ist es auch, was Annika unbedingt tun will.

Ihren ultra-stressigen Alltag loslassen, der daraus besteht, dass Karo ihre Kids bei jeder erstbesten Gelegenheit bei Annika abstellt oder dass ihr Vater plötzlich vorgibt, im Rollstuhl zu sitzen, um Pflegegeld zu kassieren. Und dann wäre da ja auch noch Marc, Annikas Love-Interest, der sich aber bald zu einer ziemlichen Plage entwickelt. Denn er sieht Annikas Zuhause quasi als gratis Schlafplatz und nutzt ihre Gutmütigkeit ebenfalls aus.

Bild: Filmladen Filmverleih

„Nein“ zu sagen, fällt oft schwer

Das Thema „Überschreitung von persönlichen Grenzen“ ist eines, mit dem wir wohl alle schon mal zu kämpfen hatten, wenn auch vielleicht in nicht ganz so extremer Form, wie Annika es muss. „Gerade Frauen bzw. FLINTA* Personen sind so sozialisiert, dass die emotionale Arbeit oft in unserer Gesellschaft von ihnen übernommen wird und es deshalb nochmal mehr selbstverständlich ist, die Person zu sein, die gibt“, so die Sichtweise von Julia Franz Richter dazu. „Natürlich ist es eine individuelle Sache, aber Grenzen zu setzten und einfach mal „Nein“ zu sagen, fällt bestimmt vielen schwer. Man hat das Gefühl, andere nicht vor den Kopf stoßen zu wollen“, so die Schauspielerin.

Auch Stefanie Reinsperger hat in ihrem Privatleben oft noch Schwierigkeiten, einfach mal an sich selbst zu denken. „Eigentlich sollte es nicht so schwer sein, dennoch empfinde ich es manchmal so“, so die Annika-Darstellerin. „Privat bin ich ein sehr harmoniesüchtiger Mensch. Ich will, dass es allen gut geht“. Und dazu gehört hin und wieder auch, dafür zu sorgen, dass kein Streit vom Zaun bricht. Denn wer kennt das nicht: man spricht mit jemandem oder muss mitanhören, wenn jemand etwas sagt, dem man absolut nicht zustimmt. Doch oft hält man seine Meinung darüber einfach zurück. So geht es auch Stefanie: „Ich habe schon oft mal kurz einfach nichts gesagt. Das hat sich in letzter Zeit aber etwas geändert. Ich merke, dass ich es einfach nicht aushalte und so etwas sehr ungerecht finde“.

So kam es auch, dass die in Baden geborene Schauspielerin ihrer Filmfigur ein bisschen Stärke von sich selbst eingehaucht hat. „Was ich Annika sehr gerne gegeben habe, war ihre Wut. Mit der ist sie zuerst völlig überfordert und kann gar nicht damit umgehen. Sie passiert vollkommen unverhältnismäßig, was für mich sehr lustig war“, wie Reinsperger verrät. Dennoch gibt es auch einige Dinge, die Stefanie von Annika gelernt hat. „Bei Annika bewundere ich, dass sie sich trotz ihres Alters, ihrer Erfahrung und dem Milieu, in dem sie sich bewegt, diese Naivität hat, weil sie nichts Böses sieht in Menschen“.

„Ich hätte gerne, dass es mir mehr egal ist“

Auch wenn der Beruf der Schauspieler:innen unheimlich spannend und facettenreich klingt, ist der Druck, den die Branche mitbringt, enorm. Dieser reicht von Leistungsdruck über Konkurrenzdruck und Zeitdruck. Der wohl heimtückischste ist aber wohl der persönliche Druck, den man aufbaut. Man beginnt, selbstkritisch zu sein und sich von einer anderen Perspektive aus zu betrachten. „Wenn ich die Szene beim Drehen nicht gefühlt habe und denke, dass es schlecht war, dann können mir 30 Leute sagen, dass es toll war“, so Reinsperger, für die der Part in „Mermaid’s Don’t Cry“ übrigens ihre erste Kinohauptrolle ist.

Um den Fokus zu sich selbst wiederzufinden, hilft der Schauspielerin meistens nur eines: „Ich muss kurz alleine sein und erstmal runterkommen. Das kann zehn Minuten dauern, das kann aber auch bis zu zwei Tage dauern. Danach geht’s aber wieder“. Auch Julia kennt diesen persönlichen Strudel nur zu gut, in den man recht schnell reingerät. „Ich hätte gerne, dass es mir mehr egal ist. Es ist am Ende des Tages auch nur ein Job und ich will gar nicht, dass es mich so sehr mitnimmt“, so die 32-jährige „Rubikon“-Darstellerin.

Sowohl Stefanie als auch Julia haben bereits in einigen namhaften Theaterproduktionen gespielt. Dort ist der Druck nochmal auf einem anderem Level – denn die Vorstellungen finden live statt. Eine Chance auf mehrere Takes gibt es nicht. „Man befindet sich einfach in einem enormen Ausnahmezustand, in der viel Druck entsteht. Ich versuche aber, mir zu verinnerlichen, dass sich die Welt auch weiterdrehen wird, wenn eine Premiere nicht ganz so gut gelaufen ist“, so Richter.

Bild: Filmladen Filmverleih

Auch Reinsperger hat damit Erfahrungen gemacht: „Wenn ich am Theater spiele und der Applaus einsetzt, dann gehe ich runter von der Bühne, in die Garderobe. Meistens steht da die Abendspielleitung und sagt: ‚Das war toll‘. Meine Reaktion ist immer die Gleiche: ‚Es war alles Scheiße!‘, sage ich dann. Ich brauche lange, um mich zu beruhigen“, so die 35-Jährige. „Ich musste das beim Theater auch erst lernen, dass man mir beim Schlussapplaus nicht anmerkt, wenn ich mir insgeheim denke: ‚Wieso steht ihr alle? Das finde ich unmöglich, weil ich SO schlecht war'“.

Den Selbstzweifel beiseite gelegt, wird Stefanie Reinsperger ab morgen gemeinsam mit dem Cast von „Mermaid’s Don’t Cry“ unzählige Kinobesucher:innen begeistern!