Als „Tall Girl“ 2019 auf Netflix veröffentlicht wurde, wurde die klischeebeladene Teeniekomödie schnell zur Meme-Vorlage. Das nahm sich Netflix scheinbar zur Challenge und schafft eine Fortsetzung, die aus ihrem Original wirklich nichts gelernt hat.

Kann ein Film eigentlich noch mehr Klischees haben?

Tall Girl 2: Fortsetzung trotz Memes und miesen Kritiken

2019 gehörte „Tall Girl“ (deutscher Titel: „Wie Jodi über sich hinauswuchs“) wohl definitiv zu den peinlicheren Teeniefilmen, die Netflix produziert hat. Die titelgebende Jodi kümmert sich darin nämlich 100 Minuten lang ausschließlich darum, dass sie zu groß ist, um eine Beziehung zu führen oder cool zu sein. In einem kitschigen Finale kommt sie dann mit ihrem besten – und um zwei Köpfe kleineren – Freund zusammen.

Filmkritiker bezeichneten den Film damals als „hohl“ und „langweilig“. In den Sozialen Medien wurde „Tall Girl“ schnell zur Vorlage zahlreicher Memes. Für Netflix zählte aber scheinbar nur eines: Über „Tall Girl“ wurde gesprochen – ganz egal, ob gut oder schlecht. Grund genug für eine Fortsetzung, die jetzt erschienen ist.

Wie wurde aus „Tall Girl“ eine miese Version von „High School Musical“?

Teil 2 setzt drei Monate nach dem großen Finale des ersten Teils an. Jodi ist immer noch 1,85 Meter groß und in der High School. Und sie ist immer noch felsenfest davon überzeugt, dass es nichts Schlimmeres gibt, als Modelmaße zu haben (zugegeben, das ist ein Problem, mit dem sich die Autorin dieser Zeilen nicht identifizieren kann, da sie, seit sie denken kann, mindestens zehn Zentimeter von jedem Paar Jeans kürzen muss).

Zu Jodis Problemen kommt jetzt dazu, dass sie durch ihren Monolog in Teil 1 plötzlich beliebt ist. Seit drei Monaten ist sie in einer Beziehung mit ihrem besten Freund und als sie sich für das Schulmusical bewirbt, bekommt sie prompt auch noch die Hauptrolle. Fast schon zu perfekt, um wahr zu sein… und natüüüürlich meldet sich genau dann ihre innere Stimme mit Selbstzweifeln und versichert ihr, dass sie all das Glück nicht verdient hat und versagen wird. Und damit sind wir auch schon mittendrin in der Fortsetzung, die wirklich niemand braucht…

Aja, und als wäre all das noch nicht genug, wird aus „Tall Girl 2“ dann plötzlich auch noch eine Mischung aus „High School Musical“ und allen Teenie-Netflix-Filmen der vergangenen Jahre. Wer Filme wie „The Kissing Booth“ und „To All the Boy’s I’ve loved before“ gesehen hat, weiß also ganz genau, was dann passiert. Denn natürlich geht es wieder um ein Liebesdreieck, natürlich folgt eine zwischenzeitliche Trennung und natürlich entpuppt sich die Zicke als eigentlich nette Person, die Jodi in ihrer schlimmsten Krise hilft.

„Was würdest du Leuten sagen, die glauben, dass groß sein kein echtes Problem ist?“

Der einzige Unterschied zum Vorgänger: In fast jeder Szene kommt noch dazu, dass Jodi ein Klischee über große Frauen in den Raum wirft. So betont sie etwa, dass die „Gesellschaft“ es noch immer nicht akzeptiert, dass größere Frauen kleinere Männer daten (anscheinend gibt es in Jodis Welt keine Promi-Paare wie Joe Jonas und Sophie Turner, Zendaya und Tom Holland und Co.).

Sie erklärt bei ihrer Musicalprobe, dass große Menschen „nicht für ihre Koordination bekannt sind“. (Wir erinnern an dieser Stelle daran, dass Hauptdarstellerin Ava Michelle als Tänzerin in „Dance Moms“ berühmt wurde). Und als schließlich ein „neues großes Mädchen in der Stadt ist“ fürchtet Jodi dann auch noch um ihren frisch getrennten Ex.

Das Ganze ist so absurd, dass Jodi in einer Szene von ihrer Lehrerin mit der Frage konfrontiert wird: „Was würdest du Leuten sagen, die glauben, dass groß sein kein echtes Problem ist? […] Eine unheilbare Krankheit, Obdachlosigkeit, wenn du nicht weißt, wo das nächste Essen herkommt. Das sind Probleme. Aber du hast dagegen mit weniger zu kämpfen. Warum steckst du das nicht einfach weg?“

Doch anstatt hier aktiv zu reflektieren und eventuell eine Botschaft der Selbstliebe und Selbstakzeptanz einzuflechten, antwortet Jodi: „Groß zu sein ist nicht schlimmer als diese Dinge, es fühlt sich oft so an aber das ist es nicht. Jedoch macht es die ganzen doofen Sachen, die mir jeden Tag aufs Neue passieren nicht weniger real.“ Dazu fällt uns eigentlich nur eines ein: Uffff…

Mentale Gesundheit im Fokus

Zwischenzeitlich fragt man sich dadurch immer wieder: „Wie viele Klischees kann Netflix eigentlich in einen Film packen?“ Als der schwedische Austauschschüler kurze Zeit später eine Version von ABBAs „Take A Chance on Me“ singt, ist die Frage eigentlich beantwortet. Offenbar kann es nicht genug Klischees geben.

Doch bei so vielen Stereotypen geht eines verloren: Der eigentliche Konflikt. Denn egal, was Jodi passiert, jedes Problem ist innerhalb von Minuten gelöst und hinterlässt keine Konsequenzen. Das einzige Thema, dem sich „Tall Girl 2“ wirklich versucht zu widmen, ist mentale Gesundheit.

Denn in einer Szene erleidet Jodi eine Anxiety Attacke, aus der ihr ihre Mutter hilft. Doch auch dieses Thema ist schnell erledigt und Jodi schafft es, ihren inneren Saboteur zu besiegen; ohne sich auch nur ein einziges Mal wirklich intensiv damit zu beschäftigen.

Tall Girl 2: viele Stereotype aber nichts Neues

Das ist enorm schade, denn mentale Gesundheit und Mobbing sind Themen, die definitiv mehr Platz in Teenagerfilmen verdienen. Es gibt genug Menschen, die aufgrund ihrer Größe ausgeschlossen werden oder das Opfer zahlreicher Witze sind. Und wir wissen es doch alle selbst: Als Teenager (und auch als Erwachsener) können einen die trivialsten Dinge am eigenen Körper in den Wahnsinn treiben. Wir sind mit uns selbst immer am kritischsten und Selbstliebe ist etwas, was die meisten nur mit viel Arbeit erreichen können.

„Tall Girl 2“ schafft es aber einfach nicht, sich diesem Thema authentisch und offen zu widmen, sondern minimiert es darauf, dass Teenager gemein sind und große Menschen es schwer haben. Letztlich haben „Tall Girl“ und seine Fortsetzung dadurch weder eine Moral noch ein richtiges Motto.

Stattdessen werden alle Teeniefilm-Klischees ausgepackt, die Netflix bereits mehrfach verarbeitet hat. Statt mithilfe eines „Kissing Booth“ oder eines Briefs an „all the Boys I’ve Loved before“ verhilft dieses Mal einfach die Größe zur Teenie-Liebe. „Tall Girl 2“ bietet dadurch nichts Neues, sondern verliert sich in so vielen Klischees, dass man am Ende einfach nur froh ist, dass es vorbei ist. Denn man wusste doch ohnehin von der ersten Sekunde an, wie es enden wird.